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Wohin bewegt sich der Markt für Sammlerautos? Ein Expertengespräch

Ob nun Abkühlung, Dampf ablassen, Nivellierung oder Marktkorrektur. Egal, welches Phänomen man heranziehen mag: Der Klassikermarkt ist in Bewegung. Was ist los? Welche Marktbereiche sind noch erfolgreich? Und wie sieht die Zukunft aus? Unser Expertengespräch liefert Antworten.

In einer Meinung sind sich die meisten Insider angesichts der aktuellen Entwicklung auf dem Markt für Sammlerautomobile einig: Es musste passieren. Am sichtbarsten ist die Abkühlung in den Auktionsräumen – den prominentesten Schauplätzen des Marktes. „Die Nachfrage nach klassischen Automobilen ist nicht schwächer geworden, aber es gibt ein viel größeres Angebot,” sagt uns Dietrich Hatlapa, der Gründer von Historic Automobile Group International, kurz HAGI. „Es gibt einfach mehr Auktionen, mehr Auktionshäuser und immer mehr Fahrzeuge, die zum Verkauf eingeliefert werden.”

Verkäufer mit harten Bandagen

Das hat zwei Konsequenzen zur Folge: Zum einen konnten Verkäufer den Auktionshäusern in jüngerer Vergangenheit Autos mit unrealistischen Schätzwerten aufzwingen. Diese Tendenz führte dann zum anderen dazu, dass die Häuser in ihrer Not, immer mehr Kataloge füllen zu müssen, nicht mehr ganz so selektiv in der Auswahl der Klassiker waren. „Alle Auktionshäuser erleben einen Umsatzrückgang und wir alle müssen uns an diesen Markttrend anpassen,” sagt James Knight, Direktor der Automobilabteilung beim Auktionshaus Bonhams. „Bis vor kurzem riss man sich nur so um Autos, die sowieso das ganze Jahr über gut erhältlich sind, wie zum Beispiel der Jaguar E-type, der Porsche Carrera RS 2.7 oder Ferrari 275 GTB. Diese Tendenz hat sich jetzt abgeschwächt.” Gord Duff, Spezialist bei RM Sotheby's, kommt zu einer ähnlichen Schlussfolgerung: „Je nach Marke lässt sich die Wertkorrektur ganz einfach an Angebot und Nachfrage festmachen. Die luftgekühlten Porsche und Sportwagen aus den achtziger und neunziger Jahren haben in den letzten Jahren solche Zuwächse erlebt, dass der Markt mit Modellen geflutet wurde und sich folglich die Preise nach unten bewegen.”

Qualitätskontrolle

Für viele Experten liegt diese Nivellierung daran, dass auch weniger sammelnswerte Exemplare am Markt angeboten wurden. „Fast alle Indices zeigten im Januar während der Scottsdale-Auktionen nach unten – ein Indiz dafür, dass den offerierten Autos von vielen Käufern und Sammlern wenig Qualität attestiert wurde, ” kommentiert Dietrich Hatlapa. Auch Gregor Fisken, ein renommierter Londoner Händler für klassische Automobile, ist dieser Meinung: „Autos ohne einzigartige Attribute und von durchschnittlicher Qualität haben sich preislich abgekühlt. Das ist auch richtig so. Derweil haben wir seit der Rétromobile in Paris vier bedeutende Fahrzeuge verkauft und ich kann Ihnen sagen, dass die Preise jeweils sehr viel höher ausfielen, als beim letzten Verkauf zu einem Zeitpunkt, als der Markt angeblich bereits seine Spitze erreicht hatte. Aus unserer Sicht hält sich der obere Bereich des Marktes noch recht gut. So lange die Preisgestaltung der Autos akkurat ist, wird das auch so bleiben.” Diese kompromisslose Suche nach dem Besten ist auch laut James Knight nicht neu: „Selbst als der Markt im Sommer von 1991 am Boden lag, konnten wir eine Kollektion von seltenen Sammlerstücken – ich nenne sie reinrassig – zu immensen Preisen verkaufen.”

Gleichgewicht der Kräfte

„Unsere Daten verraten uns, dass die Wertlücke zwischen einem guten und einem großartigen Exemplar immer weiter auseinander klafft – nicht zuletzt, weil Käufer es sich leisten können, immer wählerischer zu werden,” sagt Hatlapa. Das sieht auch Gord Duff so: „Die heutigen Sammler wissen mehr und sind klüger, sie machen ihre Hausaufgaben und sind selektiver. Das heißt, der Abstand zwischen einem durchschnittlichen Fahrzeug und dem allerbesten wächst.” Bedeutet das etwa, dass das Gleichgewicht der Kräfte sich vom Verkäufer zum Kunden verschiebt? „Das kommt auf das Auto an,” sagt Fisken. „Wenn man das richtige Auto hat, bleibt die Balance erhalten. Ein Beispiel: Vom Ferrari F40 wurden etwa 1.400 Exemplare hergestellt. Mit der derzeit am Markt angebotenen Vielzahl hat ein Kunde die Qual der Wahl. Wenn man allerdings einen Short Nose-Jaguar D-type sucht, sollte man für die wenigen Exemplare mit jeder Menge Konkurrenz rechnen.” Für Adolfo Orsi, Marktexperte und Autor eines renommierten Automobil-Auktionsjahrbuchs, steht Qualität ebenfalls im Mittelpunkt: „Niemand stellt sich mehr an, um irgend ein altes Auto zu irgend einem Preis zu kaufen. Käufer sind bei der Beurteilung von Seltenheit, Qualität und vor allem der Historie sehr vorsichtig geworden. Ist ihnen der Preis zu hoch, werden sie kein Angebot abgeben, weil sie denken, dass sie ein besseres Exemplar oder ein günstigeres in der nahen Zukunft entdecken werden.” 

Einsteigerglück?

Nachdem sich das rasante Wachstum im Klassikermarkt verlangsamt hat, erregt nun modernes Edelmetall zunehmend Interesse. Sei es, weil man sich noch einmal am Saugmotor berauschen oder einfach nur am neuesten Trend mitverdienen will. Bei den ansonsten enttäuschenden Auktionen in Arizona, wurden ein McLaren P1 für über zwei Millionen Dollar und zwei Porsche 918 Spyder für jeweils 1,76 und 1,59 Millionen Dollar verkauft – Werte, die weit über dem Neupreis liegen. „Ich beobachte mit Interesse, das sich ein neuer Markt für noch relativ junge, aber limitierte Sportwagen und Supersportwagen wie LaFerrari, Porsche GT3 RS oder Ferrari 458 Speciale eröffnet,” verrät uns Gregor Fisken. „Nachdem einige der begehrtesten Autos der Automobilgeschichte enorme Preise erzielt haben, tut es gut, Leute zu sehen, die jetzt den Sammlermarkt betreten und ihr Geld für moderne Klassiker ausgeben, die noch vergleichsweise erschwinglich sind. Aber letztlich wird auch diese Preisspirale, die sich gerade nach oben dreht, von Spekulanten ausgenützt werden.” Dietrich Hatlapa verfolgt diesen Trend ebenfalls mit großem Interesse: „Normalerweise fallen auch bei limitierten Modellen, ehe sie den Rang eines Sammelstücks erreichen, die Preise zunächst, um dann wieder anzuziehen. Aber einige dieser neuen Autos durchlaufen überhaupt kein Tal. Das hat zur Konsequenz, dass man so einen Supersportwagen eigentlich gar nicht fahren darf, denn ein niedriger Tachowert macht einen erheblichen Teil des Wertes aus.”

"Smart Money"

 

„Für Investoren können klassische Fahrzeuge nie traditionelle Anlageformen ersetzen, sie ergänzen aber die anderen Assets in einem Portfolio,” analysiert Hatlapa. „Möglich, dass sie nach neuen Feldern Ausschau halten, obwohl der Aktienmarkt zur Zeit auch wenig Rendite bietet. Fakt ist aber auch, dass die Mehrheit der Käufer auf dem Klassikermarkt letztlich aus Enthusiasten besteht – unabhängig davon, ob sie auch über die finanzielle Seite ihres Investments nachdenken.” Man sollte dennoch nicht annehmen, dass die vergleichsweise geringe kurzfristige Rendite bei Klassikern zu einem Exodus der Investoren führen könnte, meint Gregor Fisken: „Der Unterschied zwischen Enthusiast und Spekulant ist viel verschwommener, als man meint. Ja, es gibt einige Entrepreneure, die in diesem Markt unterwegs sind, aber sie arbeiten hart und treffen kluge, gut informierte Entscheidungen, wenn es um ihr Hobby geht.”

Vorwärts und aufwärts?

Alle Experten, die Classic Driver befragt hat, waren sich einig, dass die momentane Abkühlung langfristig den Erfolg des Marktes sichern wird. „Als Auktionatoren müssen wir das Selbstbewusstsein haben, auch Einlieferungen abzulehnen, die nicht attraktiv bewertet sind,” sagt James Knight. „Mit dem Blick nach vorn gerichtet müssen wir etwas vorsichtiger mit den Erwartungen der Verkäufer und der Frage umgehen, ob wir ein Fahrzeug überhaupt annehmen, dessen Schätzwert über dem Marktwert liegen soll.” Dieselbe Botschaft kommt von Gord Duff von RM Sotheby's: „Natürlich hat es nach den ersten Ergebnissen in Arizona und Paris einige Anpassungen für verschiedene Marken und Modelle gegeben, aber es besteht kein Grund für Unruhe. Der Sammlermarkt ist gesund und munter. Wir sehen weiterhin das große Interesse der Sammler sowie ihre Bereitschaft, für seltene, qualitativ hochwertige Autos am Markt sehr viel Geld auszugeben." James Knight betont zuletzt noch einen Punkt, der auch Skeptiker überzeugen dürfte: „Ich werde oft gefragt, ob diese sogenannte Blase platzen wird. Eine Blase, die platzt, ist ein ziemlich katastrophales Ereignis. Ich sehe aber keine Blase, die zu platzen droht. Ich sehe vielmehr einen Markt, der Dampf entweichen lässt. Schnellkochtöpfe haben dieses Sicherheitsventil, dass die Köche vor einem Drama in der Küche schützt. Dieses Phänomen erleben wir gerade in unserem Business. Je steiler die Entwicklung verlief, desto größer war das Risiko einer riesigen Kurskorrektur. Aber die Welt besteht immer noch aus Menschen, die Autos lieben und genießen. Das wird sich nicht ändern.”

Fotos: Rémi Dargegen / Peter Aylward for Classic Driver @ 2016