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Audienz mit den schönsten Autos der Welt in Heveningham Hall

Zum dritten Mal lief am Wochenende der Heveningham Hall Motorsport & Aviation Concours d’Elegance. Gib es einen anderen und so idyllisch gelegenen Ort, an dem man einen Ferrari 250 GTO bestaunen, eine Spitfire im Luftkampf gegen eine Messerschmitt erleben und eine Zwergziege streicheln kann?

Die Heveningham Hall Landwirtschaftsmesse in Norfolk ist eine sehr britische Veranstaltung. Collies hüten Enten, historische Traktoren paradieren um den Ring und Punch und Judy, ein in England sehr bekanntes, traditionelles und dem deutschen Kaspertheater ähnelndes Puppenspiel, unterhält die Kinder. Während Mum und Dad den lokalen Apfelwein testen.

Doch was viele Besucher der Messe nicht ahnen: Gleich hinter dem georgianischen Herrenhaus, jenseits des Streichelzoos und des beliebten Spiels „Apfelfischen“, läuft ein spektakulärer Automobil Concours mit 50 der seltensten und begehrenswertesten Autos.

Die von Kim Wilkie entworfenen Grasterrassen, auf denen der Concours läuft, bilden ein weites und imposantes, weil natürliches Amphitheater. Und wenn man vor dieser Bühne steht, hat man das Gefühl, als wäre man Teil der Show und die Autos wären das eigene Publikum. 

Der vor drei Jahren für Wohltätigkeitszwecke gegründete Heveningham Hall Concours d’Elegance hat sich in kurzer Zeit schon einen festen Platz im historischen Autokalender erobert. Als besonderes Schmankerl wurde im letzten Jahr erstmals eine Klasse für historische Flugzeuge eingeführt.

Die Kandidaten auf automobile Schönheitspreise werden in drei Klassen eingeteilt: Vorkriegs-, Nachkriegs- und Supersportwagen. Bei den Vorkriegsmodellen kämpften Modelle wie der Benz Patent Motorwagen von 1896 mit frühen Grand Prix-Rennwagen wie einem bis heute aktiven Bugatti T37 von 1927 und Richard „Mad Jack“ Shuttleworths sensationellen Alfa Romeo Tipo B Monoposto Baujahr 1934 um den Sieg.

Seitdem bekannt geworden war, dass Peter und Merle Mullin ihr 1939 gebautes Delage D8-120 Cabriolet in Fortsetzung ihrer europäischen Concours-Tour auch nach Heveningham bringen würden, war ihnen die Favoritenrolle sicher. Und so kam es dann auch: Siegestrophäe für das von Henri Chapron gezeichnete Cabriolet, das Gene Kelly in Ein Amerikaner in Paris fuhr und dem die Jury mit Max Hunt, J Mays und Romulus Rost die meisten Punkte zuschanzte.

Die Nachkriegs-Klasse war die am härtesten umkämpfte und sah eine herrliche Mischung exotischer Fahrzeuge. Sie reichte vom vermutlich ältesten aktuell in Großbritannien registrierten Ferrari, einem 1949er 166 Inter Superleggera, über wettkampfgestählte Krieger vom Kaliber Aston Martin DB3S und Maserati Tipo 61 Birdcage bis zu Unikaten wie dem von Giugiaro gezeichneten Aston Martin DB4GT „Jet“ Coupé.

So sehr wir uns freuten, den Ex-Gérard Larrousse Porsche 911 GT von 1969 und „GPG 4C“, Grahame Bryants berühmte AC Cobra – für einmal nicht mit dem sonst bei Rennen in Goodwood aufgesetzten Hardtop – wieder zu sehen, so sehr beeindruckte uns der 1955 gebaute spanische Pegaso Z101. Der Grand Tourer ist einer aus einer Serie von 23 Autos mit Alu-Haut von Touring Superleggera und betörte mit seiner Zweiton-Lackierung, zahllosen raffinierten Details und einer Ästhetik, die moderner wirkt als sein Fertigungsdatum vermuten lässt. Doch die Jury sah es anders - und kürte Nick Masons Ferrari 250 GTO von 1962 zum Sieger.

In der dritten Klasse traten einige der größten Supersportwagen der jüngeren Vergangenheit an: darunter McLaren F1 GTR, Porsche 911 GT1 Evo, ein Ferrari F40 LM und ein Maserati MC12 GT1.

Zugleich demonstrierten der Pagani Zonda C12S und bahnbrechende Hybrid-Sportwagen wie der McLaren P1 LM und der Porsche 918 Spyder die Evolution zu den Supersportlern, wie wir sie heute kennen. Am Ende war es dann Henry Pearmans Porsche 962 – der 1987 in Le Mans aus der Poleposition startete – der den Gesamtsieg holte.

Während McLaren in der aktuellen Formel 1 weiter nach der alten Form sucht, beschwor der Rennstall aus Woking mit sieben seiner erfolgreichsten Formel 1 glorreichere Zeiten. Darunter waren der MP4-14, in dem Mika Häkkinen 1999 den Titel holte, Ayrton Sennas letzter Siegerwagen, der MP4-8 von 1993 und der MP4-23, mit dem Lewis Hamilton in der letzten Kurve des GP von Brasilien 2008 seinen ersten WM-Titel unter Dach und Fach brachte. 

Rund eine viertel Meile entfernt lief auf einer das Gelände überragenden Hügelkuppe der Concours für die Flugzeuge. Für uns war er das Highlight des ganzen Events. Am Freitagabend schlichen wir uns kurz vor Sonnenuntergang nach dort oben und verbrachten ein wenig Zeit ganz allein mit den alten Helden der Lüfte. In der untergehenden goldenen Abendsonne erweckten wunderschöne Maschinen wie die Dragon Rapide DH89A von 1941, der Best of Show-Sieger Morane-Saulnier 315 von 1952 oder der zweimotorige Doppeldecker D84 Dragon von 1943 die romantische Seite des Fliegens.

Tagsüber erhob sich „MH434’, eine der berühmtesten Supermarine Spitfires mit über 80 Einsätzen im Zweiten Weltkrieg, in die Lüfte, um sich mit einer in Spanien in Lizenz gebauten Messerschmidt ME109J einen fingierten Luftkampf zu liefern.

Es ist dieses vielseitige Programm, das den Heveningham Hall Concours d’Elegance zu einem so unterhaltsamen Ereignis macht – sowohl was den automobilen Wettbewerb als auch die Landwirtschaftsmesse betrifft. Ob man nun einen Ferrari 250 GTO bestaunt, wie er einen Viertelmeilen-Sprint am „Horsepower Hill“ hinlegt oder ein Kind beobachtet, das auf einem Shetland Pony auf einer Miniaturausgabe der Grand National-Bahn reitet – es ist ein fantastischer Platz, um abseits der Realitäten des Alltags zu entspannen. Alpacas und Zwergziegen – undenkbar in Pebble Beach oder bei der Villa d’Este... 

Fotos: Robert Cooper für Classic Driver © 2018