Als mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auch auf den englischen Rennstrecken wie Brooklands zum letzten Mal die Fahnen niedergingen, hätte sich wohl niemand träumen lassen, dass der Motorsport in Großbritannien für fast eine Dekade ruhen sollte. Selbst nach Ende des Krieges war die Lage kaum besser: Treibstoff war rationalisiert, es fehlte Geld, es fehlten die Autos – und man hatte dringendere Angelegenheiten wie den Wiederaufbau des Landes im Sinn. Erst 1948, als in Goodwood das erste Nachkriegs-Rennen ausgetragen und Silverstone als Rennstrecke eingeweiht wurde, kam der Motorsport langsam wieder in Fahrt.
Im Februar des Vorjahres hatte ein wohlhabender Unternehmer aus Yorkshire names David Brown ein Inserat in der Times entdeckt, in dem ein „High class motor business“ zum Kauf angeboten wurde. Für die damalige Zeit recht stolze Summe von 20.500 Pfund schlug Brown zu und erwarb die Firma Aston Martin. Das Werk in Feltham war bald wieder produktionstüchtig, die Bombenschäden des Krieges behoben, und die Techniker arbeiteten mit Hochdruck an einem neuen Modell auf Basis des Atom-Prototypen aus Kriegszeiten mit dem von Claude Hill entwickelten Zweiliter-Vierzylinder-Motor.
Der offizielle Testfahrer von Aston Martin war zu dieser Zeit der berühmt-berüchtigte St. John Horsfall. „Jock“ hatte in den 1930er Jahren am Steuer eines als als „The Black Car“ bekannten Aston-Speed-Modells die Rennstrecken unsicher gemacht. Während des Krieges war er dann als Fahrer für den Britischen Geheimdienst unterwegs und nahm unter anderem an der berühmten „Operation Mincemeat“ beteiligt – jenem waghalsigen Plot der Alliierten, bei dem die Nazis während der Invasion Italiens von Nordafrika aus geziehlt fehlinformiert und abgelenkt wurde.
Entsprechend qualifiziert, wurde Horsfall von David Brown ausgewählt, den neuen Wagen auf Herz und Nieren zu testen – und zwar am besten im Renneinsatz. 1948 startete Horsfall zusammen mit Leslie Johnson mit dem Zweisitzer bei den 24 Stunden von Spa. Die Karosserie war von Frank Feeley etwas überstürzt entwickelt worden und in der Rangliste der schönsten Aston Martin aller Zeiten dürfte der Rennwagen wohl auf den hinteren Plätzen landen – doch unter der Haube hatten die Ingenieure ein Glanzstück vollbracht. Und kaum zu glauben: Horsfall und Johnson gewannen das Rennen in einem triumphalen Sieg!
Wie zu jener Zeit üblich, fuhren die Gewinner ihren Siegerwagen auf Achse zurück nach England. In Feltham wurde der Wagen im Anschluss umfassend überarbeitet. Er erhielt eine neue Karosserie, einen serienfertigen Motor – und stand kurz darauf auf dem Stand der Aston Martin Lagonda Ltd. auf der London Motor Show. Der Aston Martin Spa Replica sollte als Kleinserie verkauft werden, doch der äußerst saftige Preis von 3.100 Pfund schreckte die Kunden – zumal sich nicht alle Briten so schnell von der Armut des Krieges erholt hatten wie David Brown. Der Aston Martin Spa Replica blieb in der Familie – David Brown Junior nam sich der „hässlichen Entleins“ an.
Ende Mai ist der Aston Martin Two Litre Sports Spa Replica – pünktlich zum 100. Geburtstag von Aston Martin – beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este zu bestaunen. Wir hatten schon jetzt Gelegenheit, den Boliden bei einer kurzen Ausfahrt in der Schweiz zu begleiten – und waren beeindruckt von der Kraft, dem Lärm, der Präsenz des schwarzen Rennwagens, der sich brüllend und schnaubend wie ein urzeitliches Wesen durch die Kurven schiebt. Auch der aktuelle Besitzer schwärmt: „Leichte Steuerung, gutes Drehmoment bei tiefer Tourenzahl und einfache Bedinung des DB-Viergang-Getriebes.“ Übrigens: Wer genau hinsieht, erkennt nicht nur die erstmals integrierten Lampen, sondern bereits erste Design-Elemente späterer Modelle – etwa den dreigeteilten Kühlergrill, der in vereinfachter Form auch bei vielen Aston-Klassikern seit dem DB2 zu sehen war. So ist der Spa Replica ein einzigartiges Stück Firmen-, Rennsport- und Landesgeschichte, das glücklicherweise bis heute erhalten geblieben ist.
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Fotos: Jan Baedeker