Direkt zum Inhalt

Magazin

Audi S6 Avant 4.2

S muss ein Kombi sein

Text: Sven Jürisch
Fotos: Jan Richter

In stürmischen Zeiten ist es gut, ein festes Dach über dem Kopf zu haben. Höchste Zeit also, die Cabriolets einzulagern und sich nach etwas Winterfestem umzuschauen. Wie wäre es beispielsweise – auch in Hinblick auf die kommende Skisaison – mit einem Audi S6 Avant 4.2?

Ja, ist denn schon wieder Weihnachten? Nein, das zwar noch nicht, doch die Weihnachtsmärkte haben schon eröffnet und auch die ersten Schneeflocken sind bereits gefallen. Wenn Frau Holle ihrem Job so gewissenhaft wie im letzten Winter nachkommt, spielen heckgetriebene Boulevard-Renner nur noch eine Statistenrolle. Da ist es gut, wenn man auf einen allradgetriebenen Untersatz zurückgreifen kann.

Audi ist mit seinen Quattro-Modellen seit Jahrzehnten Experte für rutschigen Untergrund. Für den sicheren Skiausflug im adäquaten Reisetempo stellten die Ingolstädter 1994 einen Kombi ins Modell-Programm: den Audi S6 Avant 4.2. Mit seinem (verglichen mit dem Leistungsangebot) eher dezenten Auftritt spielte der S6 auf Anhieb die Rolle des Underdogs. Denn nur dem Kenner fielen verglichen mit dem biederen Vertreter Audi A6 Avant die voluminöseren Kotflügel und die dezente Heckblende auf. Im Innenraum setzte sich diese zurückhaltende Linie fort. Ein meist schlecht ablesbares, weiß unterlegtes Kombiinstrument, zwei nahezu perfekte Recaro-Sportsitze sowie ein Dreispeichen-S-Lenkrad genügten seinerzeit, um die Kunden das Scheckbuch zücken zu lassen.

Die Technik

Unter der Haube wurde jedoch schnell klar, dass der S6 seine Zurückhaltung nur als Maske trug: Denn S6 Limousine und Avant boten sowohl mit dem 2,2 Liter Turbo-Fünfzylinder mit 230 PS, als auch mit dem hier gezeigten 4,2 Liter V8 (290 PS) ein ausreichendes Maß an Mobilität. Dem V8 kam dabei die Rolle des souveränen Alleskönners zu. Nicht die pure Leistung war es, die in Verbindung mit dem Viergangautomatikgetriebe den Kombi binnen 7,3 (Sechsgangschaltung: 6,0 Sekunden) von 0 auf 100 km/h beschleunigte, sondern vielmehr die motorische Souveränität. Der Achtzylinder schob dank maximalen 400 Nm bei 4.000/min in jeder Situation muskulös an und drehte, wenn nötig, bis auf rund 7.000/min hoch.

Dass dabei über einen weiten Drehzahlbereich ein angenehm niedriges Geräuschniveau herrschte, nimmt der Fahrer auch heute noch in Hinblick auf die „lange Skireise“ willkommen zur Kenntnis. Weniger begeistert dagegen der Verbrauch. Rund 15 Liter genehmigt sich der V8 bei flotter Reise über die Autobahn. Was Mitte der 90er Jahre noch halbwegs in Ordnung ging, ist heute in Hinblick auf Klimapolitik und aktuelle Spritpreise kaum noch vertretbar. Ebenfalls unglücklich: Der mit 80 Liter recht kleine Tank, der dazu führt, dass die Reise spätestens nach rund 500 Kilometern unterbrochen werden muss.

Ansonsten reist es sich im S6 Avant äußerst komfortabel. Die bereits erwähnten Sportsitze mit ausziehbarer Oberschenkelauflage und Lordosenstütze sind so perfekt ausgeformt und verstellbar, dass elektrische Massage und Belüftungseinrichtungen heutiger Edelkarossen kaum vermisst werden. Dazu stimmt die Sitzposition hinter dem verstellbaren S-Line Dreispeichen-Airbaglenkrad, und auch das Ambiente mit Edelholzleisten und gefälligen Farben weiß zu gefallen. In der zweiten Reihe herrscht dank großzügigem Raumangebot und optionaler Sitzheizung sowie Sonnenschutzrollos ebenfalls gute Stimmung. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist zudem, dass dank des Skisacks in der hinteren Sitzlehne die „Bretter“ im Innenraum transportiert werden können und keine geräuschintensive Skibox auf dem Dach die Nerven der Insassen strapaziert.

Fazit

Mit permanentem Allradantrieb, den großzügig dimensionierten Scheibenbremsen des späteren Audi A8 sowie Frontairbags und vorderen Gurtstraffern ist im Audi S6 Avant die schnelle Reise auch eine sichere. Lediglich die fehlenden Airbags für die Fondpassagiere sind ein Minuspunkt, der aber im Hinblick auf die Kosten zu verschmerzen sein dürfte. Denn unser Skiexpress ist auf dem absoluten Werttief angekommen. Bereits für 5.000 Euro sind derzeit gut erhaltene Exemplare des Audi S6 Avant im Angebot. Seltener und daher teurer sind die nur mit 6-Gang-Schaltgetriebe erhältlichen S6 Plus-Modelle (326 PS), von denen nur noch sehr wenige gepflegte Fahrzeuge existieren.

Doch sollte man vor der ersten Tour dem Auto einen gründlichen Check gönnen. Denn erfahrungsgemäß wurden die Fahrzeuge gerade bei den letzten Besitzern nur noch wenig gewartet. So sind in der Regel Reparaturen an der Bremsanlage und der Achsaufhängung einzukalkulieren. Bei dem markentypisch hohen Preisniveau der Ersatzteile kann dabei schnell ein Betrag von 1.500 Euro zusammenkommen. Deutlich teurer wird es, wenn der Vorbesitzer den Wechselintervall des Zahnriemens (unbedingt einzuhalten) gnadenlos überzogen hat oder der Motor seinen Öl-Inhalt an den Zylinderkopfdichtungen ins Freie bläst. Die Reparaturkosten übersteigen dann schnell den Wagenwert und sind nur sinnvoll angelegt, wenn man den praktischen Allrounder länger als eine Wintersaison nutzen möchte.

Und genau hier liegt das Problem. Denn hat man sich erst einmal an den praktischen Kombi mit der satten Leistung gewöhnt, stellt sich im nächsten Frühjahr nicht selten die Frage nach dem Zweitwagentarif bei der Versicherung. Denn auch im Sommer gibt es noch tausend Dinge zu transportieren, die garantiert nicht in das Cabriolet passen.

Fakten

Motor:
V8 mit 32 Ventilen

Kraftübertragung:
Vier-Gang-Automatikgetriebe oder Sechsgang-Schaltgetriebe, permanenter Allradantrieb (quattro)

Max. Leistung:
213 kW/290 PS bei 5.800/min

Max. Drehmoment:
400 Nm bie 4.000/min

Leergewicht:
1.790 kg (Automatik), 1.745 kg (Schalter)

Beschleunigung 0 auf 100 km/h:
7,3 (Automatik), 6,0 Sekunden (Schalter)

V-max:
247 km/h

Durchschnittsverbrauch auf 100 km:
rund 15 Liter (Testverbauch)

Die vollständigen TECHNISCHEN DATEN können Sie sich hier als PDF herunterladen.

Audi S6 Avant 4.2 Audi S6 Avant 4.2
Audi S6 Avant 4.2 Audi S6 Avant 4.2
Audi S6 Avant 4.2 Audi S6 Avant 4.2
Audi S6 Avant 4.2 Audi S6 Avant 4.2