Mit konsequenter Diesel-Politik schwamm Audi bisher gegen den Elektro-Strom. Das soll sich nun ändern: Auf der IAA 2009 wird mit dem 313 PS starken Audi e-tron die Vision eines vollelektrischen Sportwagens präsentiert. Konkrete Zukunftschancen hat der Prototyp vorerst jedoch kaum.
Bisher hatte sich Audi recht skeptisch gegenüber elektrischen Antriebsvarianten geäußert. Hybride kamen im ingolstädter Wortschatz ebenso wenig vor wie Elektromotoren; die Zukunft sahen die Vorstände dagegen in der immer effizienter werdenden Diesel-Technologie. Johan de Nysschen, Präsident von Audi Amerika, hatte sogar noch wenige Tage vor der IAA für Aufregung gesorgt, als er den Chevy Volt als „Auto für Idioten“ bezeichnete und Elektro-Antriebe allgemein als Statussymbole für eine kleine intellektuelle Elite abtat. Mittlerweile scheint das Mutterschiff in Ingolstadt die Kursrichtung geändert zu haben, denn auf der IAA 2009 kann man einen signalroten Sportwagen mit reinem Elektroantrieb bewundern, auf dessen Haube die vier Ringe prangen.
Die Koordinaten, die Audi während der Pressekonferenz verkündete, sind tatsächlich vielversprechend: Mit vier Elektromotoren, zwei an der Vorder- und zwei an der Hinterachse, verfügt der Audi e-tron quasi über einen Allradantrieb, der die maximal 313 PS und 4.500 Nm (!) nach Bedarf zwischen den Rädern verteilt. Das als „torque vectoring“ bezeichnete System verspricht ungeahnte Agilität und Präzision, vor allem bei schnellen Kurvenfahrten. Und diese sind praktisch vorprogrammiert: In 4,8 Sekunden beschleunigt der 1.600 kg schwere Zweisitzer auf 100 km/h, der Zwischenspurt von 60 auf 120 km/h dauert gerade einmal 4,1 Sekunden. Die Kehrseite des brachialen Elektrovortriebs, den man in vergleichbarer Form aus dem Tesla Roadster kennt, ist allerdings die äußerst problematische Frage der Batterien. „Die größte Herausforderung“, so Audi, „ist die Integration des Energiespeichers – die Traktionsbatterie ist bei entsprechender Reichweite und Leistungsfähigkeit schwer und hat einen großen Bauraumbedarf.“
Als Lösung präsentieren die Ingenieure einen „ganzheitlichen“ Ansatz, der von der Positionierung der Batterien bis hin zur Kommunikation des Fahrzeugs mit Ampeln und anderen Fahrzeugen zur Steigerung der Effizienz kaum einen Aspekt übersieht. Der Lithium-Ionen-Akku, laut Audi auf dem modernsten Stand, ist wassergekühlt und leistet 42,4 Kilowattstunden, die eine Reichweite von etwa 248 Kilometern ermöglichen sollen. Wer diese Strecke ohne Zwischenstopp zurücklegen will, sollte an die Spurtmöglichkeiten des Motors jedoch nicht einmal denken. Um eine überproportionale Energieverschwendung zu verhindern, wurde die Höchstgeschwindigkeit zudem auf 200 km/h begrenzt. Aufgeladen wird der e-tron über die heimische Steckdose (6 – 8 Stunden bei 230 Volt, 2,5 Stunden bei Starkstrom) oder eine kabellose Docking-Station, wie sie für elektrische Zahnbürsten bereits standard ist.
Für eine optimale Achslastverteilung ist der Akku direkt vor der Hinterachse positioniert. Der Energiespeicher ist mit einem bedarfsgesteuerten Energiemanagement geschaltet, der alle Funktionen vom Fahrwerk über den Komfort bis hin zu den Nebenverbräuchen unter Kontrolle behält. Wie in der Architektur bereits Standard, wird beim Audi e-tron auch auf die thermische Effizienz geachtet: Ein Thermomanagement steuert alle Kühl- und Heizkomponenten für Motor und Innenraum so stromsparend wie möglich. Ein weiterer ganzheitlicher Ansatz ist die Kommunikationstechnologie „Car-to-X“, die anhand von Informationen zu Ampelschaltung und ähnlichen verkehrsrelevanten Faktoren eine optimale Fahrstrategie berechnet. Auch Informationen von anderen entsprechend vernetzten Automobilen könnten verarbeitet werden.
Über das Energiemanagement hinaus ist der Audi e-tron mit einem vollautomatischen LED-Lichtsystem ausgestattet, das die Witterungsbedingungen misst und entsprechend reagiert. Auch bei verschiedenen Geschwindigkeiten ändert sich das Erscheinungsbild der Scheinwerfer. Im Innenraum wurde derweil konsequent aufgeräumt: Schalter gibt es kaum mehr, für die Wahl der Fahrstufen (vor, zurück, neutral) fährt beim Start ein Wählhebel aus und die Bedienung des MMI erfolgt über berührungsempfindliche Flächen am Lenkrad. Alles in allem also ein innovatives Paket, das Audi in Frankfurt präsentiert. Auf einen baldigen Serienstart des Elektrosportlers muss man sich allerdings keine Hoffnungen machen - momentan ist höchstens eine Kleinstserie geplant. Das Showcar ist vielmehr ein Aushängeschild für das Audi-Förderprojekt e-performance, das ab Oktober „Freidenker, Technische Entwickler, Designer, Aggregats- und Fahrzeugingenieure sowie Software-Spezialisten zusammen bringt“, um ganzheitliche Ansätze zur Elektromobilität zu entwickeln.
Text: Jan Baedeker
Fotos: Audi
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