Größer, schwerer und stärker war gestern. Heute sind smarte Typen auf der Straße gefragt. Wie man auch mit weniger Leistung ganz vorne mitmischen kann, erklärten uns die Weightwatchers des Audi-Leichtbauzentrums.
Das Automobil steht 125 Jahre nach seiner Erfindung am Wendepunkt. Die fetten Jahre sind sprichwörtlich vorbei, denn die tonnenschweren Modelle der Vergangenheit haben angesichts wachsender Ressourcenknappheit schon heute keine Zukunft mehr. Und so steht die Umkehr der Gewichtspirale, neben der Entwicklung neuer Antriebsformen, an erster Stelle der Autohersteller. Erreicht werden soll dies vor allem durch den Einsatz von Leichtbaumaterialien, wie Aluminium und Verbundfaserwerkstoffen. Denn nur eine drastische Reduktion des Fahrzeuggewichts ermöglicht den Einsatz kleinerer und damit leichterer Motoren. Als weiterer Nebeneffekt können auch Fahrwerke, Bremsen und Räder deutlich leichter ausgelegt werden, da sie durch das geringere Gesamtgewicht niedrigeren Belastungen ausgesetzt sind.
Audi machte es mit dem soeben vorgestellten Audi A6 erstmals vor. Das Fahrzeug wiegt rund 80 Kilogramm weniger als sein vergleichbarer Vorgänger. Allein 25 Kilogramm gehen dabei auf das Konto des Motors. Durch umfassende Modifikationen wie einem Kurbelgehäuse aus hochfestem Vermicular-Grafitguss mit geringeren Wandstärken und Optimierung des Kettenantriebes gelang es, das Gewicht des 3,0 Liter V6 TDI zu senken. Die technische Entwicklung ermöglichte dabei sogar noch eine Leistungssteigerung um 10 PS.
Doch das größte Potential liegt derzeit in der Karosserie. So verwendet Audi beim neuen Audi A6 Aluminium für die Vorhangteile und einzelne Karosserieelemente. Das so erzielte Ergebnis reichte den Ingenieuren aus dem Leichtbauzentrum in Neckarsulm jedoch noch nicht. Mit akribischer Feinarbeit ersetzten sie an vielen Stellen den herkömmlichen Stahl durch neue, hochfeste Stähle, die dank exakter Bestimmung der Materialstärke deutlich effizienter als bislang gestaltet werden konnten. So sank etwa das Gewicht der B-Säule des Audi A6 durch den Einsatz eines speziell gewälzten Stahls um vier Kilogramm. Neu entwickelte Fügetechniken öffneten den Ingenieuren zudem neue Wege in der Kombination der Materialien. Die Lösung der bei einem solchen Materialmix auftretenden Probleme – etwa der Kontaktkorrosion oder dem Materialverzug – stellt dabei eine erhebliche Herausforderung dar.
Dass sich die Mühe lohnt, demonstriert die Techniktruppe um Leichtbaupabst Heinrich Timm nur zu gerne. Ein optisch unauffälliger Audi A5 dient als Demonstrationsobjekt. Das Coupé entstammt der Versuchsabteilung und wiegt dank radikaler Gewichtskur nur noch 1.400 Kilogramm. Erreicht wurde dies durch Verwendung der bereits seit dem ersten Audi A8 von 1994 erstmals in Großserie eingesetzten Aluminium-Space-Frame-Technologie. Bei dieser Konstruktionsart besteht der gesamte Karosseriekörper aus Aluminium. Über die Jahre hat Audi dieses Herstellungsverfahren perfektioniert und bietet mit dem Audi A8 und dem Audi R8 derzeit zwei Modelle in dieser Bauweise an.
Im Gegensatz zu den Serienmodellen reduzierten die Techniker beim Prototyp das Gewicht durch den Einsatz von Verbundfaserkomponenten bei den Türen und der Motorhaube noch einmal deutlich. Gerade in dem Einsatz dieser bislang nur aus dem Rennsport und von exklusiven Sportwagen bekannten Werkstoffe sehen die Ingolstädter das größte Potential zur Verbrauchsreduktion. Zur weiteren Erforschung der Einsatzmöglichkeiten und der industriellen Produktion ist Audi daher eine Partnerschaft mit dem namhaften Hersteller von Verbundfaserwerkstoffen, der Voith GmbH, eingegangen. Schon 1984 setzten die Ingolstädter in einer Kleinserie des legendären Audi Sport Quattro auf diese Materialien. Das bei Baur in Stuttgart gefertigte Fahrzeug verfügte bereits damals über eine Vielzahl von Komponenten aus Faserstoffen, deren Verarbeitung jedoch nur in einer Kleinserie möglich war.
Damals wie heute wurden die Maßnahmen an der Karosserie durch ein systematisches Abspecken aller Komponenten am Gesamtfahrzeug unterstützt. Somit genügt der aus dem Quattro Concept entliehene 2,5 Liter große Fünfzylinder-Turbomotor mit 408 PS völlig, um dem 450 PS starken V8-Serienpendant, dem RS5, nicht nur in Sachen Leistungsgewicht die Rücklichter zu zeigen.
Damit die Theorie nicht so grau ist wie der Versuchswagen, geht’s mit dem A5 Lightweight auf die Rennpiste. Und tatsächlich das abgespeckte Coupé fährt sich erstaunlich leichtfüßig. Dort, wo der RS5 schwerfällig um enge Kurven radiert, setzt der Versuchswagen zum leichtfüßigen Turnaround an, um danach mit sonorem Fünfzylinderstakkato vehement zu beschleunigen. Dank des Leistungsgewichtes von 3,4 Kilogramm/PS kann der „A5 Leichtbau“ auch diese Disziplin knapp für sich entscheiden. Dass das Fahrzeug obendrein einen deutlich reduzierten Verbrauch aufweist, ist nicht weiter verwunderlich und zeigt den Weg in die Zukunft.
Doch bis die Leichtbauwerkstoffe ihren Weg in die Serienproduktion finden, wird es dauern. Denn bislang entstehen Bauteile aus Verbundfaserwerkstoffen in kostenintensiver Handarbeit und auch das Rohmaterial ist derzeit für den Einsatz in der Großserie zu teuer.
Text: Sven Jürisch
Fotos: Audi