Reife Kleeblätter
Text: Sven Jürisch
Fotos: Alfa Romeo
Wer an Alfa denkt, dem kommt wahrscheinlich das Röhren der legendären Doppelnockenwellenmotoren eines Spider oder einer Gulietta in den Sinn. Doch auch wenn gerade diese Modelle das Bild der Marke lange Zeit prägten, so reiften in Mailand auch Design-Ikonen abseits des bekannten Youngtimer-Mainstreams. Was man heute beim Kauf eines Alfa Montreal, Alfa 6, Alfa GTV oder Alfa SZ zu beachten hat, klärt unsere Kaufberatung.
Sie sind Zeitzeugen einer Ära des Automobilbaus, in der das Controlling noch nicht die Macht über die Schreibtische der Designer und Techniker gewonnen hatte und das Besondere in Form und Funktion als Eintrittskarte in den Kreis der exklusiven Hersteller galt. Wie sehr dieses Verhalten einen Hersteller in Bedrängnis bringen kann, zeigt die Entwicklung der Marke in den Achtzigerjahren. Modellen wie dem in Zusammenarbeit mit Nissan entstandenen Alfa Arna, einem traurigen Datsun Cherry-Verschnitt, oder dem ebenfalls völlig erfolglosen Alfa 90 trauert sicherlich niemand hinterher. Aber, wer je das Glück hatte, einem Alfa 6 – gesprochen Sei – oder dem divenhaften Sportcoupé Montreal gegenüberzustehen, kann der Versuchung aus Mailand schnell erliegen.
Alfa Montreal
Als das von Marcello Gandini bei Bertone entworfene Sportcoupé 1967 im Rahmen der Weltausstellung in Montréal zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert wurde, rückte Alfa Romeo in eine neue Liga. Nicht zuletzt der neu konstruierte 2,6 Liter V8 Motor mit 200 PS machte deutlich, dass dieser Alfa eine Kriegserklärung an Ferrari und Co sein sollte. Doch die Leistung war zu gering und ließ den Absatz des Montreal auf niedrigem Niveau stagnieren. Lediglich 3.925 Fahrzeuge konnte Alfa bis 1976 verkaufen. Seinen heutigen Exotenstatus unterstützte die schlechte Rostvorsorge, die spätestens in den Achtzigerjahren ein Großteil des Bestandes dahinraffte. Hinzu kamen die hohen Unterhaltskosten, die viele Zweit- und Dritthandbesitzer rasch überforderten und so zu zahlreichen wirtschaftlichen Totalschäden führten.
Die heute ab Preisen um 35.000 Euro angebotenen Fahrzeuge sind daher meist aufwändig restauriert – und dabei deutlich günstiger als ein vergleichbarer Ferrari in gutem Zustand. Wurde bei der Wiederherstellung ordentlich gearbeitet, steht dem Fahrspaß in dem auch im Innenraum äußerst gediegen gearbeitetem Coupé nichts im Wege. Dank sportlich ausgelegtem Fahrwerk und knackigem Fünfganggetriebe lässt sich ein Montreal auch heute noch zügig im Alltag bewegen, ohne auf Artgenossen zu stoßen.
Alfa 6
Dies trifft auch auf die zwischen 1979 bis 1986 nur 12.500 Mal produzierte große Alfa Limousine, den Alfa 6, zu. Dieser bildete schon damals den eleganten Gegenentwurf zu den Luxuslimousinen von BMW oder Mercedes. Dabei ist es neben der eleganten Form vor allem die filigrane Technik, die den Alfisti immer wieder ins Schwärmen geraten ließ. So hingen die Räder an einem aufwändigen Fahrwerk mit Doppelquerlenkern an der Vorderachse und einer DeDion-Konstruktion an der Hinterachse. Den Vortrieb besorgten ausschließlich V6 Motoren mit 2,0 und 2,5 Litern Hubraum. Der ebenfalls erhältliche Fünfzylinder-Dieselmotor spielte da nur eine Außenseiterrolle. Da jedoch der Rost und die kostspielige Wartung der Technik die Besitzer häufig überforderten, dürften nur noch wenige Exemplare des großen Alfa überlebt haben. Dementsprechend gestaltet sich das Preisniveau, was von wenigen hundert Euro für ruinierte Teileträger bis hin zu knapp 10.000 Euro für gepflegte und meist schon restaurierte Topfahrzeuge reicht.
Alfa GTV
Ebenfalls in dieser Preisklasse findet sich das klassische Alfa Coupé der 80er Jahre, der GTV. 1974 erstmals unter dem Namen Alfetta GT präsentiert, erreichte das Modell schnell eine große Beliebtheit. Neben der großen Motorenauswahl, die neben zahlreichen Vierzylindern mit doppelten Nockenwellen auch den immer wieder überarbeiteten V6 mit zuletzt 158 PS umfasste, war es vor allem die praktische Schrägheckkarosserie mit der großen Heckklappe und der umklappbaren Rücksitzbank, die die Kundschaft begeisterte. Typisch für einen Alfa Romeo waren auch bei diesem Modell die tadellose Straßenlage und die gute Traktion. Dafür sorgte neben dem aus dem Rennsport abgeleiteten Fahrwerk auch die Transaxle-Bauweise, bei der das Getriebe unmittelbar an der Hinterachse saß.
Die Langzeitqualität der Technik und der Karosseriebauteile ließ jedoch auch beim GTV zu wünschen übrig, weshalb unrestaurierte Fahrzeuge heute kaum mehr auftauchen. Besonders der Rost machte der Karosserie bereits nach wenigen Jahren zu schaffen. Ersatzteile sind zwar leicht zu beschaffen, aber ihr aufwändiger Einbau und die sich anschließende Lackierung können schnell den Rahmen sprengen.
Teuer ist zudem die Instandhaltung der filigranen Technik. Denn ohne Spezialwerkzeug und entsprechende Fachkenntnisse lässt sich meist nur wenig reparieren. So erfordert das Einstellen der komplexen Vergaseranlage in jedem Fall viel Erfahrung und Geduld und kann nur noch von Kennern vorgenommen werden. Doch trotz dieser Nachteile ist der letzte heckgetriebene Alfa eine interessante Alternative zu Porsche 924 und den BMWs der 6er Reihe, wenngleich auch das Preisniveau der GTV ständig steigt – Insbesondere, wenn es sich um eines der raren „Grand Prix“-Sondermodelle handelt.
Alfa SZ und RZ
Deutlich neuer und exklusiver präsentiert sich der zweisitzige Zagato aus den 90er Jahren, der Alfa SZ. Alfa legte diese auf dem Alfa 75 basierende Baureihe in zwei Versionen nacheinander auf. 1989 erschien zunächst das Coupé mit einer aus glasfaserverstärktem Kunstoff hergestellten Karosserie. Dank einem 210 PS starken V6 ergaben sich bemerkenswerte Fahrleistungen. So erreichte das Coupé eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h und beschleunigte binnen sieben Sekunden auf 100 km/h. Zwei Jahre und 996 Exemplare später kam das Aus für den nur in rot lieferbaren Exoten. Allerdings präsentierte Alfa wenig später die offene Version des gleichen Modells, den RZ. Auch dieser war dank seiner Transaxle-Technik eine respektable Fahrmaschine, die gerade auf winkligen Landstraße überzeugen konnte. Doch aufgrund des exorbitanten Preises von 140.000 D-Mark war die Nachfrage gering, sodass bis 1993 nur 278 in Handarbeit gefertigte Exemplare die Hallen verließen.
Wer sich heute für den wohl aufregendsten Alfa der 90er Jahre interessiert, muss vor allem eine gut gefüllte Brieftasche mitbringen. Die Preise für SZ und und RZ haben sich auf hohem Niveau stabilisiert. So sind Coupés in der Regel nicht unter 30.000 Euro zu haben. Die grenzenlose Freiheit des Cabriolets muss einem weitere 10.000 Euro wert sein. Doch bleibt einem bei diesen beiden Modellen der Trost, ein absolutes „Collectors Car“ erworben zu haben, an dem man – dank der meist geringen Fahrleistungen – kaum technische Defekte befürchten braucht.