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Kann man Kreativität vererben? Ein Gespräch mit dem Spada-Clan

Wie der Vater, so der Sohn: Mit Sportwagen wie Aston Martin DB4 GT Zagato und Alfa TZ hat Ercole Spada Designgeschichte geschrieben. Heute entwirft er immer noch Autos – zusammen mit seinem Sohn Paolo. Classic Driver traf die beiden Designer in ihrem Studio in Turin.
Was ist Ihre früheste Erinnerung an Autos und Autofahren?

Ercole Spada: Als ich ein kleiner Junge war, hatte ich ein Auto Union-Modell und dazu einige Zeitschriften, die sich mit dem Auto beschäftigten. Ich war fasziniert. In der Schule tauschten wir dann diese Magazine unter einander aus, weil nicht jeder sie sich leisten konnte. Ich machte Skizzen von jedem technischen Aspekt, der dort behandelt wurde. Seitdem sammle ich gerne kleine Modelle.

Paolo Spada: Ich erinnere mich an das erst Mal in Monza. Lauda und Regazzoni waren in den berühmten Ferrari unterwegs, aber mein Lieblingsfahrer war Mario Andretti. Dann hat mich meine Großmutter zu einer Tombola mitgenommen, und wir haben ein Moped gewonnen. Das musste aber in der Garage bleiben. Als ich elf Jahre alt war, bin ich damit heimlich auf den Straßen in der Nähe meiner Großeltern unterwegs gewesen.  Im selben Jahr brachte mir mein Vater das Autofahren bei: Ich saß auf seinem Schoß beim Lenken. Dann habe ich noch  - ohne Führerschein - ein Fahrertraining in Monza absolviert.

Ercole, Ihr erstes Auto war der Aston Martin DB4 GT Zagato. Wie war das, für Zagato zu arbeiten?

Ercole: Die Atmosphäre in der Werkstatt hatte schon etwas ganz Eigenes. Während ich das Fahrzeug im Maßstab 1:1 auf einer großen Tafel entwarf, waren die Mitarbeiter hinter mir am Auto damit beschäftigt, meine Ideen und Änderungen sofort real umzusetzen. Es war ein angenehmer Arbeitsplatz, weil alle so enthusiastisch bei der Sache waren. Ich war der einzige Designer und genoss enorm viel Freiheit. Ich war bei der Herstellung der Karossen dabei und konnte dann direkt nachprüfen, welche Entscheidungen und Entwicklungen, wie beispielsweise bei unserem Coda Tronca, tatsächlich funktionierten und welche nicht.

Was macht den DB4 GTZ so außergewöhnlich?

Ercole: Zu Beginn war es für mich nur ein Auftrag, aber letztlich wurde er zu meinem absoluten Liebling. John Wyer, damals Rennleiter bei Aston Martin, wollte ein leichteres Auto, um die Ferrari 250 GTO zu schlagen. Ich versuchte also, die Karosserie so nah wie möglich um das Chassis zu formen - wie Haut, die über Knochen gespannt wird. Es war ein wundervolles Auto, sehr effizient, aber leider auch sehr teuer. Nummer 19 aus der Serie lies sich die längste Zeit nicht verkaufen.

Sie sagten, dass Sie einige Aspekte des Rennwagens, vor allem im Bereich Aerodynamik, selber optimieren wollten - wir denken an die Coda Tronca. Was genau ist das eigentlich, und war es für Ihren Stil prägend?

Ercole: Also, die Coda Tronca ist nicht meine Erfindung. In den 1930er Jahren zeigten zwei deutsche Spezialisten für Luftwiderstand, dass ein Tropfen Wasser die perfekte Form hat. An einem Auto lässt sich das aber nicht realisieren, weil sonst die Heckpartie viel zu lang wäre. Aber die beiden Ingenieure bewiesen auch, dass man diesen Effekt auch dann erzielt, wenn man die auslaufende Tropfenform an einem bestimmten Punkt abschneidet. Das traute sich aber niemand, also wurden stattdessen Autos mit abgerundeten Heckpartien entworfen. Ich war einfach nur der erste, der diesen Schnitt in den Schweif wagte - was wir im Italienischen "Coda Tronca" nennen. Es sollte mein erfolgreichster aerodynamischer Versuch der 1960er Jahre werden.

Anschließend haben Sie für BMW gearbeitet. Wie war der Unterschied zu Zagato?

Ercole: Es war völlig anders. Nicht zuletzt, weil wir ein richtiges Designstudio hatten und dazu mehr Zeit, mehr Möglichkeiten. Aber vor allem gab es einen Windkanal, um aerodynamische Ideen zu testen.

Was ist der Hauptunterschied zwischen Design in den 1960er Jahren und heute?

Ercole: Damals wurde der Entwurf zunächst im Maßstab 1:10 und später 1:1 gefertigt. Heute gibt es weniger Zeit für Skizzen, weniger Einsatz von Bleistift und Papier. Man benutzt für Design 3D-Visualisierungen und bekommt ein virtuelles Bild von dem Fahrzeug, das sich auch sofort am Bildschirm ändern lässt. In den legendären 1960ern war alles möglich, jetzt wird vieles von Vorgaben und Kosten bestimmt.

Auf welche Autos sind Sie besonders stolz?

Ercole: Natürlich auf den Aston Martin DB4 GT Zagato. Und den Alfa TZ, das ursprüngliche Coda-Tronca-Modell, den Lancia Fulvia Sport und die 5er- und 7er-Reihe von BMW.

Bezogen auf das Design, was ist Ihr absolutes Lieblingsauto?    

Paolo: Auf jeden Fall der Brabham BT55 Olivetti, aber ich mag auch den Bugatti Atlantic und die BMW 7er-Reihe meines Vaters.

Ercole: Das Jaguar E-Type Coupé der ersten Serie.

Wer ist in Ihren Augen der beste Designer des 20. Jahrhunderts?

Paolo: Davide Arcangeli - er hat in den 1990er Jahren die meisten Fahrzeuge von Pininfarina entworfen. Und Chris Bangle mit seiner BMW 5er Reihe, wegen seiner Inspiration und seinem ausgeprägtem Sinn für Formen.

Ercole: Giorgetto Giugiaro, weil er sich an schwierige Projekte wagte und enorm hart arbeitete. Er hat nicht nur Luxusautos entworfen, sondern auch viele erfolgreiche Volumenmodelle. 

Gibt es ein Auto, das Sie sich noch einmal vornehmen möchten?

Beide: Den Audi R8. Wir bereiten da gerade etwas vor.

Lässt sich Kreativität eigentlich vererben?

Ercole: In gewisser Weise, ja. Aber man muss Kinder immer noch in jungen Jahren an guten Geschmack, Materialien und Formen heranführen.

Paolo: Am Anfang war ich immer „der Sohn von..”. Deswegen bin ich nach Deutschland zu Smart und Mercedes-Benz mit Michael Mauer gegangen. Doch wie ich erwartet hatte, wurde es mir einfach unmöglich, länger in einem großen Unternehmen zu arbeiten. Also habe ich beschlossen, dass Spada eine eigene Marke, eine distinktive Handschrift werden sollte. 

Wie haben Sie das erreicht?

Paolo: Wir wussten, dass der Name Spada eine grosse Bedeutung besitzt, nicht zuletzt wegen des Coda Tronca. Also, haben wir entschieden, eine neue Interpretation dieses Coda Tronca zu entwickeln. Als wir 2008 recherchierten, entdeckten wir, dass dieser Begriff nie patentiert worden war. Also haben wir das gemacht! Das Meisterwerk meines Vaters ist nun im Besitz unseres Designstudios. Wir haben unser Design auf einem Corvette-Chassis aufgebaut, weil es für unser Vorhaben die geeignete Grundlage bot: sportlich, leicht zu handeln, kraftvoll und mit der richtigen Architektur. Dieses Auto war die Verbindung zwischen unserer Tradition und der Gegenwart. Wir haben unser eigenes Designstudio gestartet, weil wir glauben, dass auch heute noch eine italienische Design- und Karosseriewerkstatt ihren Platz in der modernen Automobilindustrie behaupten kann. Wir haben sogar zwei Geschäftsfelder: Spada Concept beschäftigt sich mit vielen unterschiedlichen Designprojekten wie Helmen, Fahrrädern und Booten, während Spada Vetture Sport der Kreation von One-offs, den außergewöhnlichen Einzelfahrzeugen, gewidmet ist.

Wie beeinflussen die Spadas Automobildesign heute?

Paolo: Nun, wir haben unseren Codatronca 2008 vorgestellt. Schauen Sie sich die Front aller Lamborghini seit 2009 an - angefangen beim Estoque -, und vergleichen Sie dieses Design mit der Frontpartie des neuen Codatronca von Spada, um zu sehen, was wir meinen.

Was sind Ihre zukünftigen Projekte?

Paolo: Wir wollen mit einer Evolution des Spada Codatronca Monza debütieren: Er soll ein Barchetta-Roadster sein, der sich für Track Days auf der Rennstrecke anbietet und noch anspruchsvoller als der Spider sein wird. Außerdem arbeiten wir noch an einigen Motorrädern wie einem Café Racer und einem weiteren, sehr extremen Bike auf der Basis von BMW oder Guzzi. Spada wird auch in Zukunft immer zu den ersten Adressen in Sachen Automobildesign gerechnet werden.

Fotos: Rémi Dargegen for Classic Driver © 2015