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Zwischen diesen beiden Ferrari-Ikonen liegt die Goldene Ära Maranellos

Die 1950er und 1960er Jahre waren die prägenden Jahre für all das, wofür Ferrari heute steht. Wir haben zwei Modelle zusammengebracht, die als Ausgangs- und Höhepunkt jener goldenen Zeit stehen – einen Ferrari 250 GT „Tour de France“ und einen Alu-275-GTB.

Beinahe wäre es bei der RM Auktion in London zu einem großen Skandal gekommen – denn wie gerne wären wir bei der Fahrt mit den zwei Ikonen des italienischen Automobilbaus, die eben dort am 9. September zum Aufruf kommen, einfach nicht zum vereinbarten Treffpunkt zurückgekehrt. Doch wir haben uns ganz staatsmännisch-professionell gegeben und den baby-blauen Ferrari 250 GT „Tour de France“ von 1956 sowie den roten 275 GTB von 1966 ganz brav wieder abgegeben – auch wenn es sehr schwer gefallen ist.

In der Jockey-Position

Erst einmal kräftig durchatmen. Es dauert eine Weile, bis der Verstand begreift, dass man im Begriff ist, mit zwei Legenden des Automobilbaus eine kleine Spritztour zu unternehmen. Doch eins nach dem anderen. Beim Einsteig in das Cockpit des “Tour de France” fällt einem sofort das im Verhältnis zum Wagen riesige Lenkrad auf. Es ist der große Lenker, der einen in die breitbeinige Jockey-Sitzposition zwingt – wie passend für ein italienisches Rennpferd! Befindlichkeiten werden also umgehend vergessen. Überraschend ist auch, wie leicht sich die Gänge des Ferrari einlegen lassen. Auch die leichtgängige Kupplung ist ein Beleg für die Doppelfunktion, für die dieser Straßen-Rennwagen ausgelegt war: Von der Rennstrecke auf eigener Achse nach Hause fahren.  Welcher Gentleman Racer braucht schon einen Renntransporter, wenn doch zwei Maßgeschneiderte Koffer auf den Rücksitz passen. 

Beginn der 250-Saga

Doch die Alltagstauglichkeit soll nicht über die Qualitäten des Ferrari als Rennmaschine hinwegtäuschen. Allein schon der Zusatz im Modellnamen beweist, dass dieser Ferrari gerade bei der „Tour de France“ viele Siege einfahren konnte. Und noch viel wichtiger:  Der Ferrari 250 GT „TdF“ steht als erstes vollwertiges Renn- und Strassenmodell am Anfang der 250-Modellfamilie, aus der legendäre Rennwagen wie der GTO, der LM und der GT SWB, aber auch wunderbare Tourer wie der California Spider hervorgingen. Auch der Einfluss auf den 275 GTB muss hier erwähnt werden. 

Enormer Fortschritt

Die Abstammung des Ferrari 275 GTB ist wie gesagt unverkennbar und sein 3,3-Liter-Motor liefert auch gehörigen Fahrspaß. Die Kraft wird – erstmals bei einem Ferrari – über ein Fünfgang-Getriebe auf die Strasse gebracht. Das Besondere an diesem GTB: Er ist eines von insgesamt 60 gebauten Exemplaren, die mit einer leichteren Aluminium-Karosserie gebaut wurden. Dies war ein Extra, das Kunden regulär bestellen konnten. Im direkten Vergleich ist es erstaunlich, dass zwischen diesen beiden Ferrari nur so wenige Jahre liegen. Der GTB war nicht nur seiner Zeit voraus, sondern auch ein Beleg für die enorme Entwicklungsgeschwindigkeit der Ferrari-Ingenieure. Besonders beeindruckend sind die Bremsen des jüngeren Ferrari im Vergleich zu denen des “TdF”. 

Viel zu schnell ging die kurze Zeit mit den eleganten Boliden zu Ende. Bleibt nur zu hoffen, dass die zukünftigen Eigentümer die beiden ungleichen Geschwister nicht in einer Sammlung verstauben lassen, sondern sie in „freier Wildbahn“ und auf den Rennstrecken dieser Welt bewegen werden. Wir können nur sagen, jeder nicht gefahrene Kilometer in einem der beiden Wagen ist eine Verschwendung. 

Photos: © Amy Shore for Classic Driver