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The GoldenEye, Jamaika: Wo Ian Fleming James Bond erfand

Mit Blick über die Oracabassa Bay erdachte Ian Fleming den Geheimagenten James Bond und schrieb viele seiner Romane. Jetzt wurde das GoldenEye Resort mit viel Feingefühl und Stil ausgebaut.

Es war die Zeit des zweiten Weltkriegs: Ian Fleming kam 1944 im Auftrag des britischen Marine-Nachrichtendienstes zum ersten Mal nach Jamaika, um sich über deutsche U-Boot-Aktivitäten in der Karibik zu informieren – und war sofort von der Schönheit der Insel und ihrer Bewohner überwältigt. Er beschloss, nach Ende des Krieges zurückzukehren und sein Leben fortan im Einklang mit Sonne und Meer zu verbringen. In dem verschlafenen Hafenort Oracabessa Bay erwarb er ein Grundstück und begann 1946 mit dem Bau seines Traumhauses, wo er den Schrecken des Krieges und der Zivilisation entfliehen wollte. Das abgeschiedene, direkt am Strand gelegen Haus bestand aus nicht viel mehr als einem einfachen Raum mit Moskitonetzen statt Fenstern, einem alten Canastatisch und einigen hölzernen Bänken – und doch sollte hier eine der bekanntesten Kunstfiguren des 20. Jahrhunderts entstehen. Das Haus taufte er auf den Namen „GoldenEye“.

The GoldenEye, Jamaika: Wo Ian Fleming James Bond erfand The GoldenEye, Jamaika: Wo Ian Fleming James Bond erfand

Schon vor dem Krieg hatte Fleming als Journalist gearbeitet. Anfang der 1950er Jahre begann er nun wieder zu schreiben. Den Namen für seine Agentengeschichten, in denen er seine eigenen Erlebnisse als Geheimdienstler und Verbindungsoffizier verarbeitete, entlieh er dem Autor eines Vogelkundebuches: James Bond – das klang prosaisch genug, um glaubwürdig zu erscheinen. Insgesamt 12 Romane und eine Handvoll Kurzgeschichten der 007-Reihe entstanden mit Blick auf die Oracabassa Bay, drei davon – Dr. No, Live and Let Die und The Man with the Golden Colt – spielten sogar in unmittelbarer Nähe von Flemings Domizil. 1962 wurde Dr. No mit Sean Connery in der Rolle des James Bond und Ursula Andress als Bond-Girl auf Jamaika gedreht. Die Szene, in der Andress im weißen Bikini aus dem türkisfarbenen Wasser steigt, gehört zu den großen Atempausen der Kinogeschichte.


Einer der Location Scouts, die für die Dreharbeiten angeheuert wurden, war ein junger Brite namens Chris Blackwell. Seine Mutter Blanche gehörte zur Insel-Gesellschaft, unter die sich seit den 1950er Jahren immer wieder Berühmtheiten wie Katharine Hepburne, Laurence Olivier oder Truman Capote mischten. Sie verfügte von Hause aus über riesige Ländereien und soll mit Ian Fleming ein Verhältnis gepflegt haben. Es war Chris Blackwell, der 1977 – gut 13 Jahre nach Flemings Tod – das Haus „Goldeneye“ erwarb. Blackwell hatte sich inzwischen mit seiner Plattenfirma Island Records, bei der unter anderem U2 und Bob Marley unter Vertrag kamen, einen Namen gemacht. Mit den 300 Millionen US-Dollar, die er 1989 für den Verkauf seines Labels erhielt, begann Blackwell in Miami und der Karibik luxuriöse und architektonisch anspruchsvolle Hotels zu eröffnen. Bis Mitte der Neunzigerjahre hatte er auch Flemings „GoldenEye“ in ein höchst exklusives Resort verwandelt – nur das Haupthaus blieb unverändert, sogar der Arbeitstisch und die Schreibmaschine durften ihren angestammten Platz behalten.

Im Dezember 2010 wurde das GoldenEye nach zweijähriger Renovations- und Expansionsphase neu eröffnet. Neun luxuriöse Strand-Cottages, sechs Suiten, zwei Restaurants und ein Spa waren hinzugekommen. Glücklicherweise hat Chris Blackwell dem Impuls widerstanden, die Geschichte des Ortes auszuschlachten und das Hotel mit 007-Kitsch herabzuwürdigen. Angesichts der Merchandising- und Produkt-Placement-Projektionsflächen der aktuellen James-Bond-Filme war diese Angst durchaus berechtigt. Natürlich findet man hier und dort Fotos von Ian Fleming, doch das paradiesisch zwischen Dschungel und Strand gelegene, weitläufige Resort mit seinen frei fliegenden Papageien und Schmetterlingen hat mehr zu bieten, als Geheimdienst-Devotionalien und geschüttelte Martini-Cocktails. Schon ein kurzer Einblick in die einmalige karibische Lebenswelt, die Ian Fleming zu seinen Geschichten inspirierte, ist sicherlich die Reise wert.

Weitere Informationen unter www.goldeneye.com.

Text: Jan Baedeker
Fotos: GoldenEye