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Bentley Continental GT V8: Erste Testfahrt

Bentley Continental GT V8: Erste Testfahrt

Auf den ersten Blick wirkt es so, als hätte sich Bentley mit dem neuen Continental GT V8 in den eigenen Fuß geschossen, schreibt Classic-Driver-Autor John Simister. Entspricht das Beschleunigungsverhalten doch annähernd dem W12-Pendant. Und wer will sich ernsthaft über 290 km/h Top-Speed beschweren? Ob der neue V8 dem bewährten Zwölfzylinder wirklich den Rang abläuft, klärt unser Fahrbericht.

Und es gibt einen weiteren Aspekt. Der neue Doppel-Turbolader mit Benzin-Direkteinspritzung - eine Gemeinschaftsentwicklung mit Audi - verbraucht rund 40 Prozent weniger Kraftstoff. 40 Prozent! Dies nicht nur beim behutsamen Durchschnitts-Zyklus der offiziellen Verbrauchstestfahrten aus Fantasialand, sondern auch - so sagt es Chef-Ingenieur Brian Gush - im realen Leben. Unter realen Bedingungen. Das dürfte sogar diejenigen ansprechen, die sich qua monetärem Polster kaum über den Anschaffungspreis Gedanken machen. Dennoch stellt sich die Frage: Wo bitte bleibt der ganze Kraftstoff im W12?

Die Ersparnis funktioniert folgendermaßen: 16 Prozent Einsparung resultieren schlicht aus dem Downsizing des Motors. Statt sechs Litern Hubraum im W12 hat der V8 nur vier Liter. Hinzu kommt eine ZF-Achtgang-Automatik statt dem bisherigen Sechsgang-Getriebe. Der V8 läuft im Rollbetrieb wie ein Vierzylinder - dank Zylinderabschlatung. Das bringt nochmals fünf Prozent Ersparnis.

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Jetzt also in die Details. Die Servolenkung braucht nur Energie, wenn sie arbeitet. Die hydraulische Elektrosteuerung bringt weitere drei Prozent. Die Rekalibrierung der Motorsteuerung ermöglicht zusätzliche Einsparungen. 25 Kilogramm Gewichtsreduktion und eine aerodynamische Verbesserung tragen weitere zweieinhalb Prozent bei. Weitere Effekte erzielt das neue Thermo-Management - inklusive beheiztem Getriebe nach einem Kaltstart via Wasserkreislauf: zwei Prozent. Hinzu kommt Rekuperation der Lichtmaschine, was nochmals eineinhalb Prozent bringt. Ein letztes Prozent stammt von neuen Leichtlaufreifen.

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Tatsächlich gibt es kein Start-Stopp-System an Bord des Bentleys. Der Grund ist simpel: Fahrer eines Bentley mögen das nicht. Ein Bentley hat zu laufen, wenn man fährt. Dennoch ist dies die bislang sparsamste Form, einen Bentley zu bewegen. Der Durchschnittsverbrauch soll bei nur rund zehn Liter auf 100 Kilometer liegen. Der CO2-Ausstoß bei 275 Gramm je gefahrenem Kilometer.

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In der Außenansicht kann man den V8 von einem W12 anhand seines schwarzen Grilleinsatzes unterscheiden und einer insgesamt aggressiveren Front-Präsenz. Innen ist er etwas weniger luxuriös ausgekleidet als der W12. Etwas weniger Leder, etwas weniger großzügige Details. Kleinigkeiten. Bentley Fahrer sehen es, andere nicht. Gummimatten und Vinylsitze gibt es glücklicherweise nicht. Hieraus und aus der Antriebseinheit resultiert der um rund zehn Prozent geringere Preis gegenüber dem W12. Die Preise starten bei rund 148.000 Euro, der Verkauf beginnt im Februar des Jahres.


Die schärfere Front des V8 signalisiert zudem mehr Sportlichkeit. Die überarbeitete Federung und Lenkung sind für ein besseres Fahrgefühl geschaffen und machen einen Teil der Gewichtsersparnis an der Vorderachse aus. Schon das Starten des Motors verbreitet ein gutes Gefühl. Eine Bassnote dringt aus dem Auspuff. Kraftvoll und enervierend. Ein zunehmendes Staccato kommt mit höherer Drehzahl hinzu. 500 PS sorgen für reichlich Punch. Der W12 bringt es auf 560 PS - doch die Klangentfaltung ist nicht so fulminant wie beim V8.

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Bentley hat mit dem V8 einen properen Aston-Martin- und Ferrari-Rivalen auf die Räder gestellt. Eine Fahrmaschine mit Charakter. Er mag 0,3 Sekunden mehr für den Sprint auf 100 km/h benötigen als sein großer Bruder. Doch wer beklagt sich schon über eine Beschleunigung von fünf Sekunden für den Standardsprint? Niemand.

Bentley Continental GT V8: Erste Testfahrt

Die raketenhafte Beschleunigung gelingt dennoch sanft, ganz ohne Turbolöcher. Die Gangwechsel erscheinen leicht und fliegend. Bereits bei geringer Drehzahl schiebt der Wagen ordentlich an. So erwartet man dies von einem Bentley. Die Kraftexplosion setzt dann am oberen Ende ein. Der V8-Conti wirkt leichtfüssig und agil, so als hätte er zwei Drittel Gewicht auf der Waage. Dennoch scheint er auf der Straße zu kleben und geriert sich als Kurvenräuber. Eigentlich stellt sich da nur noch folgende Frage: Wer will noch den W12?

Text: John Simister (aus dem Englischen von Mathias Paulokat)
Fotos/Sound: Bentley