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Volkswagen Beetle: Endlich erwachsen

Volkswagen Beetle: Endlich erwachsen

Die Zweitauflage des Volkswagen Beetle tritt ein schweres Erbe an, sprach das Kindchen-Design des Vorgängers zum Produktionsende doch immer weniger Käufer an. Mit der neuen Generation soll das allzu schnuckelige Image des „Käfers“ weichen und ein erwachsener, sportlicher Nachfolger etabliert werden. Wir sind dem VW Beetle in Berlin begegnet.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Das niedliche Kulleraugen Gesicht ist weg. Der neue Beetle, der ab Oktober zu den Händlern rollt, hat in seiner zweiten Ausgabe nicht nur den Namenszusatz „New“ abgelegt, sondern guckt endlich auch mit dem gebotenen Ernst aus seinen immer noch runden Scheinwerfern. Und das ist gut so, denn im Gegensatz zu erfolgreichen Neuinterpretationen wie dem Mini von BMW gelang es Volkswagen nicht, den Beetle gebührend zu reanimieren. Nicht junge dynamische Mitzwanziger wollten in der Vergangenheit in den Golf mit der Kugelform einsteigen, sondern immer mehr Silver-Ager fanden sich in dem einstigen Renommierprodukt. Die bestellten statt lifestyliger Ausstattung und starker Motoren lieber Hausmannskost und gedeckte Metallic-Farben. Dass das nicht nur den Marketingexperten missfiel, sondern auch im Controlling auf wenig Gegenliebe stieß, lag auf der Hand.

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Doch Volkswagen wäre nicht Volkswagen, wenn die Niedersachsen sich nicht ein zweites Mal nach dem Erfolg strecken würden. Mit der Neuauflage des Beetle ist dies gelungen. Den ausschließlich als Zweitürer mit großer Heckklappe daherkommende VW hat das Designteam komplett umgekrempelt. Wenig ist mehr übrig von dem harmlos dreinschauenden Kulleraugengesicht. Stattdessen kommt der „Kugelporsche“ mit einem im Ansatz gechoppten Dach und optimalen Proportionen daher. Der Radstand wuchs, die Überhänge schrumpften, und so bekam die Linie endlich einen sportiven Einschlag. Die Retroelemente beschränken sich auf die Trittbretter und etwas Chromschmuck, was den Beetle auf interessante Weise zu einem Individualisten adelt. Wer es noch sportlicher mag, dem bietet Volkswagen mit einem Sportpaket diverse Zusatzausstattungen an, die vor allem die ein wenig wuchtig in den Radhäusern stehenden Serienräder ersetzen. Über den feststehenden zweifarbigen Heckflügel darf gestritten werden, notwendig ist er sicher bei den meisten Motorvarianten nicht.

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Denn im Antrieb ist der Beetle des 21. Jahrhunderts ganz bürgerlich. Die Palette der Benziner reicht von dem auffällig gut gehenden Vierzylinder 1.2 TSI mit 105 PS über den 1.4 mit 160 PS bis hin zum 200 PS starken 2.0 TFSI. Mit ihm wird der Beetle zum Dynamiker. Problemlos erreicht er die 100 km/h Marke in 7,5 Sekunden und ist bei Bedarf mit rund 225 km/h unterwegs. Neben der nackten Zahlen überzeugt auch der Fahreindruck. Knackige Schaltvorgänge dank optionalem 6-Gang-DSG, perfekte Straßenlage und eine sportive Sitzposition. Soviel jugendliche Dynamik war im Beetle noch nie am Start. Wer es noch schneller will, der muss auf die sonor klingende 5-Zylinder-Sportvariante mit Turbomotor warten. Dessen Erscheinen dürfte angesichts des Volkswagen Baukastens nur eine Frage der Zeit sein, zumal das 170 PS starke Saugmotorpendant bereits in den USA in den Preislisten steht.

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Im Innenraum des Beetle herrscht ebenfalls frischer Wind. Volkswagen hat zwar mit dem liebevoll gestalteten Handschuhfach, den Chromapplikationen und einem in Wagenfarbe abgestimmten umlaufenden Designblade ein wenig beim Ur-Käfer abgekupfert, doch es bleibt ja in der Familie, sieht schick aus und beeinträchtigt auch nicht die Funktion. Darüber hinaus offerieren die Wolfsburger dem Käferfreund so ziemlich alles, was es auch beim Plattformspender Volkswagen Golf zu kaufen gibt. Eine zügig arbeitende Touchscreen-Navigation gehört dabei ebenso zum Angebot, wie die gut konturierten Sportsitze und ein Zusatzarmaturenset auf der Schalttafel, was ein wenig Rennatmosphäre versprühen soll. Schade nur, dass das eigens neu designte Lederlenkrad keine Anlehnung an das Leder-Alu-Pendant des Käfers 1.303 aus den frühen Siebzigern fand.

Volkswagen Beetle: Endlich erwachsen
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Bei der ersten Ausfahrt kommt es, wie es kommen muss. Der silberne Neuling lässt die Köpfe fliegen, der Testblick in den Rückspiegel bringt aber die Erleichterung. Es ist die Generation iPod, die sich fröhlich grinsend über den Beetle austauscht. Das Ziel der Designer ist erreicht. Ob die tuschelnden Youngsters allerdings finanziell in der Lage sein werden, sich den mindestens 16.950 Euro teuren Volkswagen zu leisten, ist fraglich. Denn mit ein paar hochwertigen Sonderausstattungen, wie der 400 Watt starken Soundanlage des US-Spezialisten Fender oder den Designpaketen, ist die 20.000-Euro-Abiturgeschenkegrenze schnell überschritten. Soll es gar der sportliche 200-PS-Motor sein, liegt bereits der Grundpreis bei rund 27.000 Euro. Doch diese Summen sind beim Erzrivalen Mini ja auch ein willkommener Anlass für ein Abendessen mit dem Bankberater. Und wer weiß, vielleicht dreht er sogar eine Runde mit.

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Das klassische Pendant zum neuen Volkswagen Beetle finden Sie im Classic Driver Automarkt.

Text: Sven Jürisch
Fotos: VW