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Ferrari California: Zur Sonne, zur Freiheit

Mit brüllendem Motor und wehendem Haar in den Sonnenuntergang reiten – für einen Ferrari California die perfekte Kür. Doch es muss nicht immer der Pazifik sein, schließlich hat auch Hessen seine Goldküste. Von „Mainhattan“ aus haben wir den Roadster auf eine spätherbstliche Tour entführt. Charakterstudie zum Saisonabschluss.

„I wish they all could be california girls“ sangen 1965 die Beach Boys. In Maranello wird der Songklassiker derzeit kaum Begeisterung auslösen – schließlich steht das 2008 gelaunchte Einstiegsmodell, der Ferrari California, im Verdacht der markenuntypischen Mädchenhaftigkeit. Zu reizvoll erschienen manchem Journalisten die Kurven und Rundungen, um den graziösen Roadster als echten Kerl anzuerkennen. In den Verkaufszahlen spiegelt sich das freilich nicht wider – ein Großteil der Klientel ist weiterhin männlich. Dennoch ist der Ferrari California ein Botschafter, der auch neue Kundenkreise erschließen soll. Nicht zufällig steht bei dem Einstiegsmodell seit neuestem eine spritsparende „Start-Stopp-Automatik“ auf der Optionsliste – im wertkonservativen Maranello eine symbolträchtige Entscheidung.

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Unser Tag beginnt mit bestem kalifornischen Küstennebel, der nicht nur die Frankfurter Skyline schluckt, sondern auch den Vordermann auf der Autobahn. Das Bordthermometer warnt zudem vor Bodenfrost. Kommende Woche werden unserem Test-Ferrari die Winterreifen aufgezogen. Also Nebelleuchten an, Heizung aufgedreht, Manettino-Button am Lenkrad auf „Comfort“. Im Gegensatz zum neuesten, nervösen Hochleistungshengst aus Maranello, dem Ferrari 458 Italia, ist der Achtzylinder-Roadster ein denkbar alltagstauglicher Sportwagen – mit kindergerechten Notsitzen und Durchreiche zum 340-Liter-Gepäckraum. Dank automatischem Hardtop kann man den California natürlich das ganze Jahr wie eine Berlinetta fahren. Wir hoffen dennoch auch einen letzten Sonnengruss und die Möglichkeit, uns den Herbstwind um die Ohren brausen zu lassen.

Im Nordwesten der Mainmetropole, wo sich zwischen Königstein, Kronberg und Bad Homburg die hessische Goldküste erstreckt, ist vom Glamour des Taunus-Jetset nur wenig zu sehen – auch die Villen der Schönen und Reichen bleiben hinter Nebelschwaden verborgen. Also Kursänderung in Richtung Süden – und tatsächlich lichtet sich bald die Erbsensuppe, gibt den Blick auf erste Fetzen tiefblauen Oktoberhimmels frei. Bei Bensheim verlassen wir die Autobahn in Richtung Odenwald, halten dann an, um das Verdeck herunter zu lassen. 14 Sekunden dauert es, dann ist das zweiteilige Hardtop verschwunden. Der plötzliche Temperatursturz nimmt kurz den Atem, doch das verlockende Brodeln aus 4,3 Litern Hubraum erfüllt die Luft und lässt Zimpereien schnell vergessen. Schal festziehen, Sonnenbrille auf die Nase, Gas durchtreten – und los geht der Ritt. Die Straßen werden schmaler, die Kurven enger, Laub wirbelt durch die Luft. Das Doppelkupplungsgetriebe schaltet in Sekundenbruchteilen, doch im Automatikmodus etwas zu früh nach oben. Am besten also die Zügel straffen und manuell in die Schaltwippen greifen, um die 460 PS im gewünschten Galopp auf die Straße zu bringen. Und das Manettino auf „Sport“. Dann weicht die Sanftmut, die Dämpfer werden straff, und bei jedem Gangwechsel knallt es geräuschvoll aus den Tiefen des Motors: Schlagende Wetter im Brennraum.

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Wie für einen echten italienischen Frontmotor-Sportwagen üblich, verlangt eine dynamischere Fahrweise durchaus Fingerspitzengefühl, um die sensible Schnauze in der Spur zu halten. Zwar sorgt die neue Mehrlenker-Hinterachse für Stabilität, doch bei der brachialen Beschleunigung aus dem Stand, wenn der Motor schon bei 2.500 Umdrehungen die geballte Leistung auf die Hinterräder stemmt, sollte man dennoch achtsam bleiben. Schließlich braucht der California keine vier Sekunden bis 100 km/h – weniger als der F430 Spider. Begleitet vom dumpfen Röhren und heiseren Fauchen des V8 schwingen wir uns die Bergstraßen hinauf und hinab. Dabei überrascht, wie vielseitig der Charakter des California ausfällt: Je nach Intention des Fahrers gibt sich das kleinste Pferd im Stall von Maranello im Wechsel heißblütig oder lässig-cool.

Diese programmatische Ambivalenz zwischen Aggression und Eleganz in ein passendes Design zu kleiden, war natürlich keine leichte Aufgabe – entsprechend vernimmt man hier auch immer wieder kritische Stimmen. Für Traditionalisten ist die langgezogene, markant gewölbte Front mit dem eleganten Kühlermaul im Vinateg-Look natürlich die Schokoladenseite. Auch die klassische Two-Tone-Lackierung weckt Erinnerung an die Klassiker der Markengeschichte. Rennsportfreunde dürften sich derweil an der durchfurchten Funktionalität der Heckpartie mit ihrem Diffusor und den markanten vier Endrohren erfreuen. Für den Nachfolger des Ferrari 612, der im kommenden Frühjahr vorgestellt wird, dürfte vom neuen Designchef Flavio Manzoni dagegen gefragt sein, die schlichte Eleganz auch im Gesäßbereich zu manifestieren. Das Cockpit des California kann derweil beide Positionen einen: Klar, auf den Fahrer ausgerichtet, ohne technische Spielereien und, nicht unwichtig, mit vielen kleinen Ablagen und Fächern, die das Leben im Gadget-Zeitalter leichter machen.

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Rückkehr zur Villa Kennedy, einem der besten Hotels in Frankfurt und unserer Basisstation für die Tour. Ausklang an der Bar und Reflektion des Fahrerlebnisses, am Flügel probt derweil Sting für einen nächtlichen Auftritt. Den entschärften „Mädchensportwagen“ konnten wir im Ferrari California nicht erkennen – außer, man begründet sein Frauenbild auf Uma Thurman in Kill Bill. Der 2+2-sitzige Gran-Turismo-Roadster ist ein Allrounder – und mit einem Grundpreis von 176.000 Euro nicht gerade günstig. Doch momentan ist er das einzige Cabrio im Portfolio, der Ferrari 458 Spider kommt schließlich erst im Laufe des nächsten Jahres und die Wartelisten werden lang. Wer für die letzten Sonnenstrahlen noch einen echten italienischen Roadster sucht, oder sich frühzeitig auf die nächste Open-Air-Saison vorbereiten will, kommt am California kaum vorbei.

Die luxuriöse, in Frankfurt-Sachsenhausen gelegene Villa Kennedy ist Teil von The Rocco Forte Collection, einer Hotelfamilien mit 13 äußerst individuellen und geschmackvollen Fünf-Sterne-Häusern in ganz Europa. Derzeit sollte man die besonderen Advents- und Weihnachtsangebote erfragen. www.villakennedy.com



Unser Dank für die freundliche Unterstützung unserer Produktion geht zudem an Christian Schödel vom Team Classic Driver und das „Reitwerk“ in Seeheim. Wer zu seinem Cavallo Rappante die passenden italienischen Reiterstiefel sucht, findet hier ein handverlesenes Angebot. www.reitwerk.com

Text: Jan Baedeker
Fotos: Jan Baedeker, Nanette Schärf

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