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Artega GT: Neustart mit Rückenwind

Was ist eigentlich aus dem Artega GT geworden? Diese Frage war zuletzt mehr als berechtigt. Die überraschende Antwort lautet: Der 300 PS starke Zweisitzer wurde überarbeitet und steht kurz vor seiner Markteinführung. Classic Driver ist rechtzeitig zum Workshop ins ostwestfälische Delbrück gereist und liefert handfeste Fahr- und Manufaktureindrücke.

Rückblick: Der Artega GT ist ein Erfolg, als er erstmals 2007 auf dem Genfer Autosalon enthüllt wird. Während sich namhafte Luxusmanufakturen erneut dem anhaltenden PS-Kampf stellen, setzt Artega auf die Leichtbauformel: Weniger Gewicht braucht weniger Leistung. Das Design des Light-Sportwagens stammt von keinem geringerem als dem ehemaligen Aston Martin-Designchef Henrik Fisker. Angetrieben wird der 1.285 Kilogramm schwere Artega GT nicht etwa von einem hubraumstarken Zwölfzylinder oder einem zwangsbeatmeten V8, sondern einem kompakten 3,6-Liter-Sechszylinder aus dem VW-Regal. Mit einem Basispreis von knapp 80.000 Euro ist der Artega GT obendrein vergleichsweise günstig und das, obwohl er das Prädikat „Handmade in Germany“ trägt.

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Nach der Premiere geht der Artega GT durch die Presse und erste Bestellungen fliegen in Delbrück ein. Dann wird es merkwürdig still um den charismatischen Sportwagen. Und kurzzeitig unangenehm laut, als Artega-Gründer Klaus Dieter Frers im Oktober 2009 den Insolvenzantrag für das Mutterunternehmen Paragon stellt. Doch während Kritiker und Konkurrenz bereits zum Abgesang des Manufaktur-Sportwagens anstimmen, meldet Delbrück: Der Artega GT steht kurz vor der Markteinführung.

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Kurze Zeit später erfahren wir beim Presse-Workshop in Delbrück, wie sich letztlich das Blatt zum Positiven wenden konnte. Eine neue Investorin hat das Ruder in die Hand genommen und Firmengründer Frers den Laufpass gegeben. Die in Mexiko lebende Anteilseignering der Corona-Bierbrauerei ist gerade einmal 46 Jahre alt, gilt als lifestyle-affin und geschäftstüchtig. Außerdem scheint sie eine Schwäche für Sportwagen aus Delbrück zu haben – der Manufaktur jedenfalls räumte sie nach der Übernahme erst einmal ein halbes Jahr Schonzeit ein, in der kein effektiver Umsatz erzielt werden musste, um dem Artega GT die endgültige Serienreife zu verleihen.

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Mittlerweile rollen die Sportwagen Stück für Stück durch die Fertigungsstraße. Dabei werden sämtliche Komponenten sorgsam von Hand montiert. Ein Seriensportwagen, der hierzulande komplett von Hand montiert wird? So etwas gab es zuletzt nur im gut 100 Kilometer westlich gelegenen Dülmen, bei Wiesmann, zu sehen. „Bis zu drei Exemplare können hier pro Tag gefertigt werden“, erklärt Dr. Wolfgang Ziebart, die neue Führung des Unternehmens. „Unser Ziel ist es, eine Jahresproduktion von 500 Exemplaren zu erreichen.“ Ziebart, der über 20 Jahre für BMW tätig war und dort zuletzt als Vorstandsmitglied die Bereiche Forschung & Entwicklung und Einkauf verantwortete, bringt reichlich Erfahrung mit ins Geschäft. „Und viel Herzblut“, betont Ziebert. Der nur vier Meter lange Sportwagen hat es ihm angetan.

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Vom Potenzial des Artega GT möchte ich mich jedoch selbst überzeugen und steige ein. Mein erster Eindruck: Bei diesem Sportwagen steht das Fahren im Vordergrund. Die Instrumentierung ist auf das Wesentliche reduziert, wenngleich der Artega GT über Extras wie Klimaanlage, Navigation und E-Fenster verfügt. Die Klimaanlage bedient der Fahrer über das große Display in der Mittelkonsole, während das Navigationssystem separat im Innenspiegel untergebracht ist und Routenanweisungen direkt auf die Spiegelfläche projiziert. Die restlichen Armaturen und Schalter sind ein Mix aus bekannten Volkswagen-Elementen – und sagen wir mal: etwas originellen Paragon-Bauteilen. So etwa die Fensterkurbeln, die sich beim Antasten als elektrische Fensterheber enttarnen. Tachometer und Drehzahlmesser teilen sich ein Rundinstrument in der Schalttafel. In der Peripherie werden Tank- und Öltemperaturanzeige digital eingeblendet. Die Felder können nach Kundenwunsch individuell programmiert werden.

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Motorstart. Der quer montierte, 300 PS starke V6-Mittelmotor erwacht mit einem Trommelwirbel im Heck. Dank maßgeschneiderter Abgasanlage klingt der sonst so vornehme Volkswagenmotor im Artega GT eher wie der drehfreudige Sechszylinder eines Porsche 911 GT3. Aus dem Stand beschleunigt der Hecktriebler in nur 4,8 Sekunden auf 100 km/h. Dabei hinterlässt er kaum Gummi auf der trockenen Fahrbahn – begünstig durch die ausgewogene Gewichtsverteilung des Mittelmotorkonzepts und nicht zuletzt die gewaltigen Räder mit 305er-Bereifung. Blitzschnelle Schaltsequenzen leistet das modifizierte VW-Doppelkupplungsgetriebe mit sechs Fahrstufen, die wahlweise über Schaltwippen am mit Alcantara bezogenen Multifunktionslenkrad angewählt werden können.

Die Stärken des Artega GT liegen eindeutig in der Kurvendynamik. Leistungsgewicht, Massenverteilung und Fahrwerks-Setup machen den Zweisitzer zum gnadenlosen Kurvenkatapult. Durch den engen Kontakt zur Straße, die direkte Lenkung und die perfekt abgestimmten Bremsen kann ich den Sportwagen punktgenau durch die Kurven manövrieren. Spät, aber verlässlich greift das ESP ein, bevor der Artega zum Drift einsetzt. Einen Moment später liegt bereits die nächste Kehre an und drückt mich in die Sitzwangen. Die Recaro-Schalen bieten guten Seitenhalt und verfügen obendrein über Seitenairbags und Gurtstraffer. Ohnehin hat Artega mit verschiedenen Crashtest viel Entwicklungszeit in das Sicherheitspaket des Sportwagens investiert - mehr, als es der Gesetzgeber für einen Hersteller dieser Größe vorschreibt. So verfügt der Artega etwa über einen verstärkten Alu-Spaceframe mit hohem Seitenaufprallschutz, einen stabilen Dachrahmen als soliden Überrollschutz sowie auch Fahrer- und Beifahrerairbag.

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Die straffe Abstimmung und das geringe Gewicht des Sportwagens bewähren sich im Kurvenbetrieb, unter Volllast auf der Geraden sind sie jedoch eine Herausforderung. Bei 250 km/h auf der Autobahn reagiert das Fahrwerk bockig auf jede Fahrbahnunebenheit und das Auto wird trotz vollverkleidetem Unterboden, Diffusor und weiteren abtriebsfördernden Komponenten zunehmend leichter. Die Zukunft des Sportwagens liegt jedoch bekanntlich nicht in der Höchstgeschwindigkeit, sondern in der Effizienz. Und hier punktet der Artega mit vergleichsweise maßvollem Kraftstoffkonsum: 12,5 Liter sendet das Display nach dieser rasanten Fahrt. Wer sich etwas zurücknimmt, kann den Sechszylinder locker unter zehn Liter fahren. Laut Werksangabe sind es im Mix 8,9 Liter Superplus auf 100 Kilometern.

Zurück im Werk betrachte ich noch einmal die Linien des Sportwagens. In der Seitenansicht wird deutlich, wie kompakt die Verbundstoff-Karosserie des Artega GT gebaut ist. Front und Heck wirken geradewegs zusammengeschrumpft – trotz der kurzen Karosserie verfügt der Artega GT über einen beachtlichen Radstand von 2.460 Millimetern. Auch in der Breite erreicht der Artega mit 1.880 mm fast die Dimensionen eines Lamborghini Gallardo. Allein durch das außergewöhnliche Seitenverhältnis wirkt der Sportwagen wie ein kleines Kraftpaket. Hinzu kommen geschwunge Linien, weit ausgestellte Radhäuser und groß dimensionierte Lufteinlässe an Front und Seitenpartie. Gewaltig wirken auch die 19 Zoll-Räder des Artega GT mit 305er-Bereifung auf der Hinterachse. Alternativ stehen die Standard-Räder mit 285er-Reifen zur Wahl.

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Alles in allem ist der Artega GT reif für den Markt. Und scheint trotz Verspätung äußerst zeitgemäß. Denn dem Trend nach werden zukünftig wieder kompaktere, leichtere Sportwagen das Straßenbild dominieren, und genau hier ist der Artega GT positioniert. „Momentan gibt es deutschlandweit, neben dem Produktionsstandort, Distributionen in Stuttgart, Frankfurt und Aachen“, erklärt Peter Müller, Leiter Technik und Vertrieb, der schon bei Porsche und BMW Erfahrungen sammelte. „Das Händlernetz soll hier in Deutschland sowie in Italien, Frankreich, der Schweiz und weiteren EU-Ländern sukzessive ausgebaut werden.“ Dass einmal 500 Exemplare des handgefertigten Manufaktur-Sportwagens pro Jahr verkauft werden, ist bisher reine Zukunftsmusik. Gewiss ist jedoch, dass der Artega GT nun auf den Markt kommt und – erfolgreich oder nicht – dank finanzieller Rückendeckung die nächsten Jahre im Sportwagensegment mitmischen wird.

Text: Jan Richter
Fotos: Jan Richter / Artega

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