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Bentley Brooklands

Die Rennstrecke Brooklands in der südenglischen Grafschaft Surrey gilt als Wiege des britischen Motorsports. Von 1907 bis 1939 wurden auf der 3,25 Meilen langen Strecke etliche Rennen und Rekordversuche ausgetragen. So schraubte Tim Birkin – einer der fabelhaften Bentley Boys – in einem 4 ½ Liter Blower Bentley bereits 1932 den Rundenrekord auf 137,96 Meilen pro Stunde, dass sind rund 222 km/h. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass dieser Parcours Namenspate für das neue, viersitzige Grand Touring Coupé von Bentley steht. Die Leistung von 537 Pferdestärken, ein unglaubliches Drehmoment von 1050 Newtonmetern, vereint in einem 2.635 Kilogramm schweren Traumschiff, dessen Interieur britische Clubatmosphäre verbreitet, lassen den Bentley Brooklands in einem ganz besonderen Licht erscheinen. Dass der Brooklands hält, was sein Name verspricht, konnten wir auf einer kurzen Testfahrt auf heimischen Landstraßen überprüfen.

Riesig der Große. Der Bentley Brooklands ist ein stattliches Automobil. Mit einer Länge von 5,41 Metern ist das große Coupé von Bentley lediglich 20 Zentimeter kürzer als das mächtige Rolls-Royce Phantom Coupé. Unser Modell, welches für einen Ausflug vom Bodensee in Richtung München bereit steht, ist in der eleganten Farbe „Burnt Oak“ lackiert. Der Name für diesen dunklen Braunton besitzt eine doppelte Bedeutung. Wörtlich übersetzt heißt er soviel wie „verbrannte Eiche“, gleichzeitig trägt auch ein Stadtteil Londons diesen Namen. Die sportliche Sänfte steht auf zweiteiligen 20-Zoll-Leichtmetallrädern, die aufgrund der imposanten Erscheinung des Grand Tourers jedoch sehr viel zierlicher aussehen.

Bentley Brooklands Bentley Brooklands

Auf den ersten Blick fällt sofort die klassische Linienführung auf, die man so nur von britischen Automobilen kennt. Die extrem lange Motorhaube, der sehr kurze vordere Überhang, die gedengelte Bugwelle über den hinteren Radläufen und das sanft abfallende Heck sprechen, ebenso wie das niedrige Dach die klassische Designsprache der Commonwealth-Automobile. Wie es sich für ein ordentliches Coupé gehört, sucht man eine B-Säule vergebens. Ein weiteres besonderes Merkmal ist die „schwebende“ Heckscheibe. Die untere Kante des Heckausgucks endet deutlich über der Oberkante des Kofferraumdeckels, wodurch eine fließende Linienführung zum Heck des Wagens entsteht. Diese Linienführung kann nur durch eine individuelle, von Hand ausgeführte Verschweißung der hinteren Kotflügel mit der C-Säule realisiert werden und setzt handwerkliches Können voraus.

Der Volksmund sagt: „Es sind die inneren Werte, die zählen.“ Übersetzt man diese Redewendung auf den Bentley Brooklands, dürfte dieser mit Geld nicht zu bezahlen sein. Wer hinter dem Volant des Briten Platz nimmt, taucht ein in eine andere Welt: Willkommen im Club! Der Brooklands könnte eine mobile Dependance eines Clubs der besseren Londoner Gesellschaft sein. Es duftet nach Leder und die Füße versinken in schweren Teppichen. Man ist umgeben von Leder, poliertem Wurzelholz und massivem Chrom. Kurzum, der Innenraum des Brooklands ist wie aus einem Guss. Jede glänzende Blende, die klassischen Zugschalter für die Regelung der Luftzufuhr oder der Wahlhebel des 6-Gang-Automatik-Getriebes – alles ist aus solidem Metall gefertigt und erinnert an die Hochzeiten des Automobilbaus.

Kommen wir nun zum Herzstück des Bentley Brooklands – dem berühmten 6,75-Liter-V8-Motor, dessen Urahn bereits 1959 als 6,23-Liter-V8 seinen Dienst im legendären Bentley S2 Saloon feierte. Mit seinen 537 PS und den 1.050 Newtonmeter Drehmoment ist er der stärkste V8-Motor, der jemals die Hallen in Crewe verlassen hat. Für Dr. Ulrich Eichhorn, Vorstand Technische Entwicklung, musste der neue Bentley ein wichtiges Ziel erfüllen: „Atemberaubende, mühelose und unmittelbar verfügbare Dynamik für die wirklich passionierten Fahrer, war unser oberstes Ziel.“ Dieser Auftrag ist Eichhorn und seinem Team gelungen. Scheinbar mühelos treibt ein beherzter Tritt auf das solide Gaspedal den rund 2.600 Kilogramm schweren „Großen Tourer“ nach vorn. Begleitet wird das dynamische Erlebnis von einem Achtzylinder-Solo, das an den ersten Marsch „Land of Hope and Glory“ aus der Reihe „Pomp and Circumstance“ des britischen Komponisten Sir Edward William Elgar erinnert.

Bentley Brooklands Bentley Brooklands

Dabei lässt einem der Bentley Brooklands die Wahl zwischen einem extrem agilen Fahrerlebnis und einem „very sophisticated“ Dahingleiten. Ganz gleich, welches Tempo bevorzugt wird, der V8-Biturbo-Motor überträgt seine Leistung an ein perfekt abgestimmtes und sehr anpassungsfähiges Sechsgangautomatikgetriebe. Ein extra für den Brooklands konzipierter Drehmomentwandler mit Sperre und ein elektronisches Stabilisierungsprogramm helfen dabei, den Luxuskreuzer auch bei sportlicher Fahrweise „auf Linie“ zu halten.

Der ehemalige Bentley Boy Woolf „Babe“ Barnato hätte bestimmt seine wahre Freude am neuen Brooklands gehabt und sich erneut ein Wettrennen mit „Le Train Bleu“ geliefert, das er bereits 1930 siegreich für sich entscheiden konnte. Mit Fug und Recht kann man über den Bentley Brooklands sagen, dass er die Manifestation des Erbes der „Bentley Boys“ ist. Kompromisslose Leistung und purer Fahrgenuss mit dem nötigen Maß an britischer Zurückhaltung vereinen sich in diesem Modell. Eigentlich ist es recht bedauerlich, dass lediglich 550 Exemplare des von Hand gefertigten Coupés die Manufaktur in Crewe verlassen werden, bringt doch der Brooklands den guten Stil wieder auf die Straße.

Text: J. Philip Rathgen
Fotos: Classic Driver



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