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Magazin

Audi Q7

Auf den ersten Blick kommt mir der granatrote Audi Q7 in unserer Redaktionstiefgarage vor wie ein alter Bekannter. Servus, raunt der frisch polierte Wagen, long time no see. Dabei haben sich die Erfinder des Quattro wirklich Zeit gelassen mit ihrem Einstieg ins Geländewagengeschäft. Erst im letzten Jahr, auf der Frankfurter IAA, folgte Audi als letzter großer deutscher Premiumhersteller dem Ruf des Marktes und enthüllte das erste Sports Utility Vehicle der Firmengeschichte – von den ebenfalls sportlich-nützlichen Rallyewagen einmal abgesehen. Dass der Q7 trotzdem nicht fremdartig wirkt, verdankt er seiner Form: Mit seiner fließenden Front und dem coupéhaften Dachverlauf reiht sich das SUV homogener in die heimische Modellpalette, als beispielsweise der BMW X5 oder der Porsche Cayenne – wofür er nicht nur Komplimente geerntet hat.

Ohne andere Autos als Vergleichsgrößen könnte der Audi Q7 auch als neue Audi A6 Allroad Designstudie in einer geschrumpften Garage durchgehen. Erst als ich an der ersten Ampel auf einen VW Multivan herunterblicke, wird mir bewusst: Dieses Auto ist ein Schiff, eine riesige Luxusyacht für die Straße, mit über fünf Metern Länge und bis zu sieben Sitzen geschaffen für die XXL-Welten jenseits des Atlantiks. Damit das Konzept aber auch im alten Europa funktioniert, haben die Ingenieure in Ingolstadt den Q7 nicht nur mit einem 350 PS starken V8, dem wohl amerikanischsten aller Motorkonzepte, versehen, sondern auch mit einem Dreiliter-TDI-Sechszylinder mit 500 Nm Drehmoment.

Audi Q7 Audi Q7

Sicherlich: Es gibt Orte mit mehr Glamour und Sex-Appeal als eine Diesel-Zapfsäule. Wenn der 2,3-Tonnen-Koloss aber nach 700 Autobahnkilometern immer noch nicht Richtung Tankstelle zieht, bekommt vernunftorientiertes Denken doch einen gewissen Glanz. Ein weiteres Plus des Audi gegenüber seiner rechteckig-kantigen Konkurrenz ist die Aerodynamik – der schwindende Luftwiderstand macht sich letztlich auch beim Tanken bezahlt. Doch nicht nur aufgrund der vergleichsweise ökonomischen Verbrauchswerte soll der Audi Q7 3.0 TDI einmal den größten Marktanteil der Modellreihe in Europa abdecken, sondern vor allem wegen seiner ausgeprägten Laufkultur. Dafür steht ein 3-Liter-Triebwerk, das auf Common Rail-Einspritzung der neuesten Generation mit Piezo-Inline-Injektoren setzt und mit straffen 233 PS bei 4000/min und geballten 500 Nm zwischen 1750/min und 2750/min eine sportliche Überraschung parat hält.



Mit 9,1 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h bricht der Audi Q7 mit TDI-Antrieb zwar keine Rekorde, dafür reagiert der Motor ohne Verzögerung auf jeden Befehl des Gasfußes. Für zusätzliche Agilität und Lenkpräzision sorgt das aus dem RS4 bekannte Torsen-Differenzial des Allradantriebs, das die Lamellenkupplung ersetzt und für mehr Agilität und Lenkpräzision ausgelegt ist. Ein souveräneres Fahrverhalten sucht man in seiner Klasse jedenfalls vergeblich. Selbst Slalomfahrten durch den Innenstadtverkehr sind im Audi Q7 so leicht zu steuern wie in einer Sportlimousine und auf der Autobahn liegt er so sicher wie ein Zug auf Schienen – selbst um die Vmax von 216 km/h.

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So weit über dem Verkehr thronend, im Augenwinkel die gigantischen Rückspiegel, kann schnell ein gewisses Trucker-Flair aufkommen. Die flache Frontscheibe, die vom Cockpit aus unsichtbare Motorhaube und der gewaltige Fondbereich erinnern dagegen an einen riesigen Van. Dass der Audi Q7 aber als luxuriöses Reisemobil und somit als Großraum-Ergänzung zwischen Audi A6 und A8 ausgelegt ist, verrät spätestens der Blick auf die Ausstattung: Dicke Ledersitze vorn und hinten bieten Oberklassekomfort – wer in der optionalen dritten Sitzreihe bequem reisen möchte, sollte allerdings die 1,60 Meter nicht überschreiten.



Für eine entspannte Fahrt sorgt das optionale Luftfederfahrwerk ‚Adaptive Air Suspension’ aus dem A8. Wie im Flugzeug fühlt man sich spätestens, wenn man die neue ‚Adaptive Cruise Control’-Funktion aktiviert: Der intelligente Tempomat regelt nicht nur selbstständig die Geschwindigkeit zwischen 0 und 200 km/h, sondern hält auch den korrekten Abstand zum Vordermann. Sollten dem Fahrer bei soviel Komfort die Augen zu fallen, tritt das System im Notfall auch gerne einmal beherzt in die Eisen. Als weitere Option empfehlen wir den Radarsensor ‚Side Assist’, der beim Spurwechsel vor Autos im toten Winkel warnt.

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Und natürlich muss ein „Performance SUV“ – so bewirbt Audi den neuen Riesen – auch im Gelände eine gute Figur machen. In der Ausgangslage liegt die Bodenfreiheit bei 180 Millimetern, im Lift-Modus sind bereits 240 Millimeter Luft unter der Karosserie. Für Fahrten ins Gelände steht der Offroad-Modus mit 205 Millimeter Bodenfreiheit und adaptierten Dämpfern zur Verfügung, womit der Audi Q7 fast jedes mitteleuropäische Hindernis überwinden sollte. Am Hang meldet sich zudem der neue Bergfahr-Assistent des ESP zu Wort, der auf losem Untergrund die Bremsleistung und die Traktion optimiert. Das ist natürlich schön zu wissen, brauchen wird diese Funktionen jedoch nur ein Bruchteil der Kunden. Als größerer Kombi oder eleganterer Van wird der Audi Q7 wohl eher über Shopping-Meilen kreuzen als durchs Unterholz. Die absenkbare Ladekante ist trotzdem in beiden Revieren von Vorteil.



Man kann vieles sagen über unseren neuesten Testwagen, den Audi Q7 3.0 TDI. Er ist groß, er ist komfortabel, er ist leistungsstark, er ist sogar vernünftig – falls dieses Wort im Zusammenhang mit einem SUV überhaupt erlaubt ist. Er ist mit einem Preis von 48.900 Euro zwar ganze 16.000 Euro günstiger als die Achtzylinder-Version, wirkt dann aber noch ausgesprochen nackt. Kreuzt man auf der Optionsliste ein paar der netten, geradezu unentbehrlichen Extras an, liegt man allerdings schnell um 70.000 Euro. Ob ein potenzieller SUV-Kunde – beziehungsweise eine SUV-Kundin: rund 60 Prozent des Käufersegments sind weiblich – sich für den Audi und gegen die Konkurrenz von BMW, Porsche, Mercedes-Benz oder Land Rover entscheidet, hängt wohl letztlich von der Markenwirkung und vom Design ab. Und das zielt mit Monster-Kühler und Riesen-Radstand deutlich auf den US-Geschmack. Ob das Kingsize-Konzept auch von den „Desperate Housewifes“ der europäischen Oberschicht akzeptiert wird – und ob in diesem Fall nicht die Achtzylinder-Variante an der Superplus-Zapfsäule einen höheren Glamour-Faktor verspricht – bleibt abzuwarten.

Text: Jan Baedeker
Fotos: Jan Baedeker / Philip Rathgen



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