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Magazin

Maserati Biturbo

Für die italienischen Momente im Leben

Text: Sven Jürisch
Fotos: Jan Richter / Maserati

„Isch abe gar keine Auto“ – dieser aus Funk- und Fernsehwerbung bekannte Satz dürfte so manchem Besitzer eines Maserati Biturbo in Erinnerung kommen, wenn er mal wieder wegen eines technischen Defektes oder aufgrund einer exorbitanten Werkstattrechnung mit seinem vierrädrigen Untersatz „Made in Italy“ hadert. Doch der Reihe nach: Ja, es geht um Maserati. Und ja, auch Classic Driver hat sich dem Flair eines der populärsten Produkte der Marke nicht entziehen können. Im Jahre 1981 auf die Welt gekommen, verkörperte der Maserati Biturbo den Reiz der sportlich-italienischen Mittelklasse wie kein anderer Wagen seiner Zeit.

Im Grunde genommen handelte es sich bei dem in drei Karosserievarianten mit unterschiedlichem Radstand (Limousine, Coupé und Cabriolet) lieferbaren Maserati um eine Art Edelausgabe der Gattung Mercedes 190 oder BMW 3er. Von Beginn an dabei: ein Sechszylinder mit rund zwei Litern Hubraum, zwei Turboladern und drei Ventilen pro Zylinder. Das galt in den 80er Jahren als exotisch und sorgte für damals sensationelle Fahrleistungen. So beschleunigte das noch mit einer Registervergaseranlage bestückte Maserati Biturbo Coupé in seiner Urform binnen 6,7 Sekunden auf 100 km/h und erreichte laut Werk eine Höchstgeschwindigkeit von 215 km/h. Wenn, ja wenn, alles richtig funktionierte. Und dies war fast nie der Fall. Denn die altertümliche Gemischaufbereitung machte ebenso wie die wenig standfeste Turbotechnik dem Fahrer oftmals einen teuren Strich durch die Rechnung.

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Trotz dieser Anfangsschwierigkeiten begeisterte das Konzept in der Folgezeit die Kunden und so baute Maserati das Programm mit verschiedenen Motorvarianten und Karosserieformen aus. Die zahllosen Derivate kamen und gingen meist schneller, als deren Prospekte gedruckt waren. Erwähnenswert von diesen Ausbaustufen sind auf technischer Seite die Einführung einer verbesserten Einspritzung von Magneti Marelli (1986), die Abkühlung der Ladeluft durch zwei Ladeluftkühler (1987, Modellbezeichnung Si), die Umstellung der Achsanlage auf Fünfloch-Radbefestigung und die Einführung von ABS und Katalysatortechnik. Optisch erfuhr die Urform des Coupés 1990 ein umfassendes Facelift mit rundlicher Schnauze und eine Umbenennung in die Modellbezeichnung 222. Drei Jahre nach Einführung des Coupés debütierte die viertürige Limousine mit der Bezeichnung 420. Die Einführung des standfesteren 2,8 Liter V6 mit abgasentgifteten 225 PS (ohne Kat waren es 250 PS) brachte inkonsequenterweise die Modellbezeichnung 430 hervor. Wenig später erhielt auch dieser Motor die Vierventilzylinderköpfe.

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Mit dem Motorenangebot der Limousinen und Coupés startete Ende 1982 das bei Zagato entworfene Cabriolet namens Spyder. Dieses auf dem verkürzten Chassis des Coupés ruhende Frischluftvergnügen ist vermutlich die reizvollste Version des Maserati Biturbo. Denn bei ihm können die beiden Insassen in trauter Zweisamkeit am besten dem rauen Sound der „Bella Macchina“ lauschen, die es ab 1988 auch mit Katalysator gab. Nach und nach flossen alle Veränderungen in der Baureihe auch in den Spyder und so präsentierte sich der Beau immer auf der Höhe der Zeit.

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Technik und Wartung

Eines vorweg: Sämtliche möglichen Mängel eines alternden Maserati Biturbo aufzeigen zu wollen, sprengt schlicht den Rahmen. Das Auto ist eine italienische Diva, die als solche behandelt werden möchte. Die Strecke Hamburg – München in sechs Stunden – und das dreimal die Woche – mag mit einem Mercedes 190 möglich sein, mit einem Biturbo ist sie dies jedoch nicht. Die Achillesferse des Autos ist, neben der nur bei frühen Exemplaren anzutreffenden Vergasertechnik, die geringe Standfestigkeit des Motors. Der V6 wurde zwar in seiner gesamten Laufzeit immer wieder verbessert, jedoch erreicht er auch heute nur selten Laufleistungen von 100.000 km, ohne größeren Schaden zu nehmen. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn die Vorbesitzer die teuren Wartungstermine (Zahnriemenwechsel alle 40.000 km – und davon hat er gleich zwei!) nicht einhält und den Biturbo mit einem Gebrauchsmotor verwechselt. Ein penibel abgestempeltes Scheckheft ist daher Vorraussetzung für den Kauf. Aber auch mit erledigten Wartungen kann es teuer werden. So sorgen defekte Abgaskrümmerdichtungen, gerissene Stehbolzen oder gar fehlerhafte Turbolader, die erst ab 1986 mit einer Wasserkühlung versehen wurden, für unerfreuliche Diskussionen mit dem Bankberater. Denn fast immer heißt es dann: Motor ausbauen! Das gilt im übrigen auch beim Wechsel der Ketten der Nockenwellen bei den 24-Ventil-Modellen, der alle 80.000 km anfällt.

Bis 1988 kam es bei allen 18V-Biturbo-Motoren (2,0 bis 2,8 Liter, letzterer jedoch nur, wenn er keinen Katalysator hatte) aufgrund von mangelnder Ölversorgung der Schmierstellen im Zylinderkopf zu kapitalen Motorschäden. Verursacher ist ein zusätzlicher Ölfilter in den Ölkanälen der Zylinderköpfe, der eigentlich eine bessere Reinigung des Öls gewährleisten sollte. Da diese Filter nicht turnusgemäß gewechselt werden sollten, verstopfen sie und die Ölförderung wird verweigert. Blockierende Nockenwellen mit anschließendem Zahnriemenriss sind die Folge. Die Übeltäter sollten im Rahmen einer Rückrufaktion von Maserati entfernt werden, was nur in den wenigsten Fällen geschah. Sollte der Vorbesitzer keine Auskunft über den Stand der Dinge geben können, ist eine Prüfung unbedingt vorzunehmen.

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Weitere finale Schäden ergeben sich, wenn die mittlerweile rund 20 Jahre alten Kraftstoffleitungen feinstes Superbenzin in den von den beiden Turboladern gut vorgewärmten, aber kaum einsehbaren Raum unter dem Luftfilterkasten sprühen. Schuld an der Undichtigkeit sind die engen Radien der Schläuche, die stark wechselnden Temperaturen sowie die Alterung des Materials. Sollte der Vorbesitzer keine oder nur vage Auskünfte über den Austausch der Kraftstoffleitungen geben können, sind diese am Besten umgehend zu tauschen.

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Weniger problematisch hingegen arbeiten die Nebenaggregate in dem einer Schlangengrube ähnelnden Motorraum. Servopumpe, Lichtmaschine und Klimakompressor sind, da es sich um Großserienbauteile handelt, recht haltbar. Das trifft auch für die Kraftübertragung zu. Das verbaute Fünfgang-Schaltgetriebe läuft zwar etwas rau, aber es hält. Lediglich die Kupplungsgeber- und Nehmerzylinder neigen zur Inkontinenz. Ebenfalls undicht wird das thermisch hoch belastete Hinterachsdifferential, sodass auch hier ein regelmäßiger Wechsel des Schmierstoffs notwendig ist. Das Fahrwerk, teilweise mit elektronischer Verstellung, präsentiert sich bis auf alterungsbedingte Verschleißerscheinungen an Buchsen und Gelenken unauffällig und kann in Verbindung mit dem serienmäßig recht sportlich abgestimmten Fahrwerk durchaus gefallen. Und auch die Bremsen funktionieren einwandfrei. Kopfschmerzen bereitet mitunter das Servolenkgetriebe, welches zu Undichtigkeiten neigt.

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Die Lust noch nicht verloren? Gut, denn das Thema Elektrik und Karosserie des Biturbo ist nur etwas für Hartgesottene. In keinem der beiden Punkte entspricht der Italiener den früheren Erwartungen der Käuferschicht. So rostet die Karosserie eigentlich an jeder Kante, an jedem Falz und in jedem Hohlraum, insbesondere dann, wenn das Auto älter als 1988 ist und noch nie eine nachträgliche Hohlraumversiegelung genossen hat. Ist gar der Frontscheibenrahmen perforiert, bedeutet dies fast immer einen wirtschaftlichen Totalschaden.

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Das Wort Elektrik leitete Maserati offenbar von dem Wort Trick ab und so verwundert es kaum, dass die Instandsetzung der maroden Stecker und Schalter des Biturbo einem Zauberwerk gleicht. Kabelpläne sind nur schwer für das jeweilige Baujahr erhältlich und auch die Ersatzteilsituation ist nicht rosig. Nur leider ist der Biturbo der jüngeren Generation voll von Helferlein und Sensoren, ohne die ein Auto nun mal nicht fährt. So kann es sein, dass ein Bauteil, welches gestern noch zuverlässig seinen Dienst verrichtete, heute die Weiterfahrt im flotten Italiener bestreikt.

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Fazit und Kosten

Trotz allen Katzenjammers: Das Design, der Motorsound und das tolle Fahrwerk, gepaart mit dem eleganten italienischen Flair der ledernen Innenausstattung und nicht zuletzt die typische Maserati-Uhr am Armaturenbrett verzaubern den Interessenten des Biturbos noch immer. Bei aller Liebe sollte man jedoch bedenken, dass der Maserati Biturbo nichts für kleine Budgets ist. Wer dennoch mag, sollte zum Anschaffungspreis eine annähernd identische Summe in der Hinterhand halten, um den Biturbo gründlich zu sanieren. Und das lohnt nur bei wirklichen Spitzenautos, denn der Marktwert ist, bis auf die raren Sondermodelle oder den Spyder, momentan gering.

Ist man aber tatsächlich einmal mit dem Maserati Biturbo Spyder unterwegs, sind die dunklen Seiten der Beziehung schnell vergessen. Und spätestens, wenn man dann den Gardasee unter azurblauem Himmel pannenfrei erreicht hat, kann man getrost frohlocken: „Isch abe doch eine Auto – und was für eine!“

Maserati Biturbo

Motor: Angeboten wurden 2,0 bis 2,8 Liter V6-Motoren mit Bi-Turbo und Drei- oder Vierventiltechnik. Teilweise mit Katalysator und Ladeluftkühlung.
Leistung: 2,0-l-DOHC-V6, 132-208 kW
2,5-l-DOHC-V6, 136-146 kW
2,8-l-DOHC-V6, 165-205 kW
Besonderheiten: Aufwändig gearbeitetes Interieur mit hochwertigen Lederpolstern, teilweise elektronisch geregeltes Dämpfungssystem.
Preise: Ab 5.000 Euro für Teileträger. Brauchbare Exemplare mit geringem Wartungsstau und Laufleistungen um 50.000 bis 80.000 km werden ab 10.000 Euro gehandelt. Spyder-Modelle sind teurer und seltener. Dies trifft auch für Sondermodelle zu. Generell sind gut gewartete Fahrzeuge mit interessanten Sonderausstattungen in der Schweiz anzutreffen.

Eine Reparaturkostenrücklage von mindestens 5.000 Euro ist unbedingt einzukalkulieren. Zudem sind die laufenden Kosten durch den recht hohen Verbrauch und die schlechte Schadstoffklassifizierung hoch.
Versicherung: Oldie Car Cover: Anfrage für Versicherungsangebot stellen

Das Fotofahrzeug wurde uns vom Classic Driver-Händler Bratke Exclusive Cars Motorsport GmbH & Co. KG freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

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