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Magazin

Audi V8 quattro DTM

Rotes Ringfieber

Text: Mathias Paulokat
Fotos: Mathias Paulokat / Audi

30 Jahre Audi quattro: Anlässlich dieses Allrad-Jubiläums präsentieren wir einen 20 Jahre jungen Klassiker aus dem Ingolstädter Rennstall. Den Audi V8 quattro in der DTM Version von 1990. Der 462 PS starke „Chauffeurswagen“ zeigt sich auf den ersten Blick auffallend nah an der Serie. Doch der Eindruck täuscht: Vor Ihnen steht ein bis auf das Blech entkernter, knallharter und vollkommen komfortfreier Rennbolide – der Siegerwagen von Hans-Joachim Stuck aus der DTM 1990.

Wir erinnern uns: Es waren die Jahre der „Rotkäppchen“, jener Motorsportfans der Marke Audi, die zwischen 1990 und 1993 mit ihren roten Mützen zu Tausenden die Rennstrecken der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) säumten. Nach zwei erfolgreichen Motorsportjahren auf dem nordamerikanischen Kontinent (1988: TransAm; 1989: IMSA-GTO), war die Ingolstädter Rennmannschaft 1990 nach Deutschland zurückgekehrt, um ihre motorsportliche Kompetenz auch auf heimischen Terrain unter Beweis zu stellen.

Die DTM bot sich als ausreichend PR-trächtige Rennserie an. Das faszinierende und bis zu 720 PS starke GTO IMSA-Rennderivat des Audi 90 war hier allerdings eindeutig übermotorisiert und nicht regelkonform. Auch der legendäre und ebenfalls sehr erfolgreiche Audi Sport quattro S1 wurde für diese Mission nicht wiederbelebt. Dieses Fahrzeug war schließlich durch und durch für den Rallye-Einsatz entwickelt worden. Stattdessen besannen sich die Ingolstädter ihrer ersten Oberklasse-Limousine. Der Audi V8, in der Serienausführung als edle und technisch innovative Chauffeurslimousine positioniert, sollte es richten. Und tatsächlich: der Coup gelang.

30 Jahre quattro Antrieb

Am 14. Oktober 1990 errang Hans-Joachim Stuck mit der weißen Limousine im typischen weiß-rot-braunen Audi-Dekor die Meisterschaft. Und im Oktober 2010 feiert der Über-V8 sein 20-jähriges Jubiläum. Gründe genug, einmal etwas genauer zurück zu blicken. Der Grundstein für den Erfolg des Audi-Allradantrieb wurde bereits zehn Jahre vor dem Audi V8 quattro gelegt. Der erste Audi quattro stand am 3. März 1980 im Rampenlicht des Genfer Automobilsalons.

Dem zuvor ging eine vierjährige Entwicklungsgeschichte. „Wie viel Leistung verkraftet ein Frontantrieb?“ Mit exakt dieser Frage beschäftigten sich im Winter 1976 Audi-Entwickler bei ihren Testfahrten im verschneiten Schweden. Die getarnten Prototypen mit ihren 170 PS starken Fünfzylindermotoren schlugen sich tapfer. Aber sie blieben ohne Chance gegen ein hochbeiniges Gefährt mit 75 PS, welches über einen zuschaltbaren Allradantrieb verfügte. Die Rede ist vom Militärgeländewagen Iltis, den Audi als Nachfolger des Munga entwickelte. Und der den Anstoß für den serienmäßigen quattro Allradantrieb in Personenkraftwagen gab.

Technischer Clou war eine Hohlwelle im Getriebe, welche die Motorkraft zur Vorder- und Hinterachse leitete. Mit einem Mitteldifferenzial verfeinert, startete der erste Audi quattro 1980 in den Verkauf. Das kantige Coupé mit dem 200 PS starken Fünfzylinder-Turbomotor und permanentem Allradantrieb war ein Renner – im Verkauf und auf den Straßen. Auf den Rallyepisten fuhren die quattro-Typen von Audi zwischen 1982 und 1984 zudem je zwei Fahrer- und Markenweltmeisterschaften ein. Im Anschluss daran konzentrierte sich die Marke auf die Rundstrecke. Dort bestätigte sich die Überlegenheit des permanenten Allradantriebs von neuem. Audi-Piloten errangen in Europa und den USA begehrte Trophäen.

„Chauffeurslimousine“ mit Rennsitz

Zu den Erfolgsmodellen zählt auch der 462 PS starke Audi V8, der 1990 für die DTM aufgebaut wurde. Trotz der gut 1,2 Tonnen Gewicht hielt der Oberklasse-Renner die schwächer motorisierten und leichteren Konkurrenten in Schach. Hans-Joachim Stuck gewann gleich im ersten Jahr die Meisterschaft. 1991 tat es ihm der junge Frank Biela in einem packenden Finale auf dem Hockenheimring gleich. Nach einem Streit über die Legalität der neuen Kurbelwelle zog das Team den V8 quattro 1992 aus der laufenden Saison zurück. Von den 36 Rennen der Jahre 1990 und 1991 hatte Audi die Hälfte gewonnen.

Was machte den Audi V8 so erfolgreich? Die Ingolstädter Rennabteilung räumte die üppig ausgestattete und knapp 4,9 Meter lange Limousine komplett aus. Statt Alcantara-Himmel dekorierte nun ein Überrollkäfig das Interieur. Der kommode Ledersitz wich einer Rennschale, die den Fahrer in Form presste und auf das Wesentliche konzentrieren ließ. Unter der Haube schöpfte der 3,6-Liter-Motor seine Maximalleistung bei beachtlichen 9.300 Umdrehungen. Je Zylinder sorgten vier Ventile für Be- und Entlüftung. Mittels 6-Gang Sportgetriebe regulierten die Piloten den Vortrieb der Rennlimousine, die aufgrund ihrer Dimension auch ein wenig an die großen Tourenwagen von Mercedes aus den 1970er Jahren erinnert.

Der permanente Allradantrieb des Audi V8 DTM sorgte dabei stets für maximale Traktion und ermöglichte gegenüber bloßen Front- oder Hecktrieblern hohe Kurvengeschwindigkeiten – trotz deutlich mehr bewegter Massen. Das kommode Serienfahrwerk tauschte die Sportabteilung gegen ein voll verstellbares Rennfahrwerk. Entsprechend tief kauert der Audi V8 auch heute noch in seinen Radhäusern. Ein durchaus ungewohnter Anblick bei einer klassischen „Chauffeurslimousine“. Das sich ein solcher Audi auch ganz anders als das mit Automatik ausgestattete Serien-Pendant fährt, ist selbstredend der Fall. Wie schnell ein solcher historischer DTM-V8 auf der Strecke unterwegs ist, können Interessierte übrigens immer wieder bei besonderen Motorsportveranstaltungen erleben – wie zuletzt beispielsweise beim Hamburger Stadtpark-Revival 2009. Audi holt seine frühen Boliden glücklicherweise immer wieder aus dem warmen Museumsräumen. Zu eindrucksvollen Vorführungen – nicht nur für bekennende „Rotkäppchen“.

Datenblatt

Motor:
8-Zylinder in V-Anordnung, vier Ventile pro Zylinder

Hubraum:
3.561,8 ccm

Leistung:
340 kW / 462 PS bei 9.300 Umdrehungen pro Minute

Kraftübertragung:
permanenter Vierradantrieb

Getriebe:
Audi 6-Gang Sportgetriebe

Radstand:
2.703 mm

Gesamtlänge:
4.874 mm

Leergewicht:
1.220 Kilogramm

Beschleunigung:
in 3,8 Sekunden von 0 – 100 km/h

Bauzeit:
1990 bis 1993

Erfolge:
zwei DTM-Siege