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Magazin

Toyota 2000 GT

Street-Samurai

Text: Mathias Paulokat
Fotos: Toyota

„Wie bitte?“ Nun mal schön der Reihe nach. Ein für die Straße zugelassener historischer Sportwagen mit einem 2,0-Liter Sechszylindermotor und gerade mal 150 PS Leistung, der in den sechziger Jahren aus Japan kam, soll heute in gutem Zustand weit mehr als 250.000 Euro kosten? Das kann doch nicht wahr sein! Sind wir hier im falschen Film? Oder etwa schon in der Hyper-Inflation angekommen? Nein, weder noch, sondern im Toyota 2000 GT. Ein Classic Driver Portrait über eine asiatische Ausnahmeerscheinung.

Ja, liebe Leserinnen und Leser, wir geben es freimütig zu: Breviere, Reportagen oder Sentenzen über japanische Automobile lesen Sie bei uns äußerst selten. Und das liegt nicht etwa daran, dass Sie unaufmerksam gewesen wären und diese verpasst hätten. Es liegt rührt schlicht daher, dass wir derartige Abhandlungen nicht verfassen. Vermutlich finden Sie nicht ein japanisches Fahrzeug in unserem Klassiker-Archiv.

Warum das so ist, wollen Sie wissen? Eine berechtigte Frage. Infinity, Lexus, Mazda, Mitsubishi, Nissan, Toyota, Subaru seien doch schließlich auch respektable Automobile, zuverlässige zudem. Mag sein. Eine Quartz-Uhr ist auch zuverlässig, mehr noch: Sie misst die Zeit genauer als jedes noch so feine mechanische Manufakturkaliber. Und doch ist uns eine traditionsreiche Jaeger, Omega oder Girard-Perregaux am Handgelenk lieber. Ein fragiles Räderwerk ist eben durch nichts zu ersetzen, trotz manchmal malader Ganggenauigkeit. Sie sehen also: Das Ganze greift viel tiefer, läuft auf eine „autophilosophische“ Weltanschauung hinaus. Lassen Sie es mich mit einem japanischen Sprichwort zusammenfassen: „Der Rabe, der den Kormoran nachmacht, muss viel Wasser schlucken.“ Huch, war das jetzt gemein?

Ein japanischer Geniestreich

Gleichwohl: Von Borniertheit und Verbohrtheit halten wir von Classic Driver ebenso wenig. Und deshalb lesen Sie an dieser Stelle nach eben dieser kurzen Vorrede nichts anderes als eine hofierende Hommage an den japanischen Sportwagen, den Toyota 2000 GT. Eine Auto, welches mit Recht alle Skeptiker Lügen straft. Im Oktober 1965 fuhr der Toyota 2000 GT auf der Tokyo Motor Show erstmals ins Rampenlicht. Die Form orientierte sich dabei klar an europäischen Sportwagen-Proportionen. Allen voran scheint das Coupé-Modell des 1961 vorgestellte Jaguar E-Type als Inspirationsquelle gedient zu haben.

Auch ein Alfa Romeo Giulia TZ zeigt ähnliche Proportionen mit langer Haube und knackigem Heck. Ferrari 250 GTO oder Ferrari 275 GTB gehorchen ebenfalls der klassischen Formenlehre. Nur zur Einordnung am Rande: Der Opel GT, der nicht nur an eine Miniaturausgabe der Chevrolet Corvette erinnert, sondern auch auffallend den Toyota 2000 GT zitiert, erschien erst 1968. Der Toyota 2000 GT ist ähnlich und doch anders. Er zeigt eben jene elegant und rassig wirkende Silhouette und eine klassische Front, die dank des Scheinwerferkonzepts mit zusätzlichen Schlafaugen doch ungewöhnlich wirkt. Die Abgrenzung der Fahrkanzel erscheint aufgrund der sichelförmigen Pfeilung wie ein geschwungenes Samurai-Schwert. Das Heck wiederum wirkt schlüssig und formschön, wobei die Rundleuchten im Chromträger die asiatische Herkunft signalisieren. Diese Chromdetails waren in der seinerzeit aufstrebenden japanischen Automobilindustrie ein typisches Gestaltungsmerkmal. Im Innenraum verschlägt es einem beim ersten Anblick die Sprache. Ein großflächiger Armaturenträger aus Rosenholz entspringt zeitgenössischem Möbelbau. Hier sammeln sich zwei große und fünf kleine Rundinstrumente zu einem elegant gestalteten Cockpit.

Als heranwachsender Großserienhersteller erschien es den Verantwortlichen bei Toyota ratsam, für die Entwicklung des 2000 GT einen geeigneten Partner zu gewinnen. Die Wahl fiel auf Yamaha. Das ursprünglich als Klavierfabrik gegründete Unternehmen hatte sich zwischenzeitlich einen guten Ruf als Produzent von Motorrädern und Rennmotoren gemacht. Einer Anekdote zur Folge, soll der Designeinfluss auf das deutsche Universalgenie Albrecht Graf Goertz zurückgehen, der mit dem BMW 507 in den fünfziger Jahren einen automobilen Meilenstein geschaffen hatte. Tatsächlich hatte Goertz im Rahmen einer Japanreise im Jahr 1961 den Kontakt zu Datsun gesucht und hier Skizzen für ein dem Toyota ähnliches Sportcoupé hinterlassen. Sogar ein Prototyp entstand. Wo? Bei Yamaha. Doch Datsun verfolgte das Vorhaben nicht weiter. Erst 1969 erschien dann der zweite bemerkenswerte japanische Sportwagen, der „Fairlady“ 240 Z mit der gestalterischen Grundidee von Graf Goertz. Am Toyota 2000 GT jedoch wollte er nicht beteiligt gewesen sein.

Technik, Produktion und Marktlage

Feinsinn zeigt sich auch bei der Fahrzeugtechnik. Unter der Motorhaube arbeitet ein auch unter ästhetischen Gesichtspunkten bemerkenswerter 2,0-Liter Reihensechszylinder-Motor mit zwei oben liegenden Nockenwellen und Wasserkühlung. Das ehemals leistungsstärkste Triebwerk von Toyota brachte es auf 150 PS. Und auf 200 PS in der Wettbewerbsvariante. Basis für das Aggregat bildete der Motorblock des Toyota Crown. Im 2000 GT resultiert der Hubraum von exakt 1.988 ccm aus 75 Millimeter Bohrungen und 75 Millimeter Hub. Im Querstromzylinderkopf rotieren zwei Nockenwellen, je eine für die Einlass-, beziehungsweise für die Auslassseite. Der Antrieb erfolgt über eine Duplexkette durch die siebenfach gelagerte Kurbelwelle. Die Gemischaufbereitung erfolgt mittels dreier Flachstromvergaser des Typs „Mikuni/Solex 40 PHH“.

Die Druckumlaufschmierung verfügt über einen Ölsumpf aus verripptem Leichtmetallguss. Ähnlich aufwendig ist das Fahrwerk ausgelegt. Es vertraut auf doppelte Querlenker an der Front mit Querstabilisatoren und doppelte Dreiecksquerlenker hinten. Jeweils mit Schraubenfedern, Teleskopstoßdämpfern und Scheibenbremsen. So ausgerüstet spurtet der Toyota aus dem Stand auf 100 km/h und läuft in der Spitze Tempo 210.

Zahlreiche Rennsporterfolge und Rekorde konnte der Toyota 2000 GT einfahren. Weltweit berühmt wurde der Wagen indes durch den James-Bond Streifen „man lebt nur zweimal“. 007 entkommt – auf dem Beifahrersitz – in einem weißen 2000 GT Cabriolet. Hierbei handelt es sich um eigens für den Film angefertigte Fahrzeuge. Zwei Cabrios entstanden, indem Toyota kurzerhand zwei Coupés aufsägte. Die stabile Konstruktion mit dem Kastenrahmen ermöglichte diese Eingriffe. Der Toyota 2000 GT wurde von 1967 bis Oktober 1970 gefertigt. Die letzten Modelle erhielten eine geänderte Front, größere Blinker und den 2,3-Liter Motor aus dem Crown.

Obwohl 1967 als Sensation aufgenommen, entstanden lediglich insgesamt 351 Exemplare vom 2000 GT. Das Auto war damals beinahe so teuer wie ein Mercedes 300 SE oder ein Porsche 911. Nach Deutschland kam der GT übrigens offiziell nie. In der Schweiz war er als Importmodell für 33.000 Franken erhältlich. Heute ist er eine Ikone und in Japan ein Kulturdenkmal. Gute Fahrzeuge der ersten Serie erzielen Preise auf Niveau eines Ferrari und reichen im Ausnahmefall beinahe in die Gefilde eines Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürers. Respekt! Und Ehre, wem Ehre gebührt. Japaner würden jetzt wahrscheinlich wissend lächeln sagen: „Wahrheit braucht nur wenig Worte!“ Stimmt, der Toyota 2000 GT hat diese Würdigung wahrlich verdient.

Datenblatt

Hersteller
Toyota

Fahrzeugkonzept
Fastback-Coupé

Karosserie
Stahlblech

Motor
wassergekühlter Viertakt-Reihensechszylinder, vorne längs eingebaut, 3 Flachstromvergaser von Solex, zwei oben liegende Nockenwellen, Duplexkettensteuerung

Hubraum
1.988 cm³

Leistung
150 PS (110 kW) bei 6.600 Touren

Bremsen
Dunlop-Scheibenbremsen vorne und hinten

Kraftübertragung
Fünfgang-Schaltgetriebe, Hinterradantrieb

Lenkung
Zahnstangenlenkung

Bereifung
165 HR 15

Abmessungen
Länge 4.175 mm x Breite 1.600 mm x Höhe 1.160 mm

Radstand
2.330 mm

Leergewicht
1.120 Kilogramm

V-Max
210 km/h

Beschleunigung
von 0 auf 100 km/h in ca. 10 Sekunden