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Magazin

Jaguar XJ13

Bissiges Dutzend

Text & Fotos: Mathias Paulokat

Lyon’s Twelve oder Jaguar’s Thirteen? Das Zahlenspiel ist magisch, der Sprung vom Dutzend auf die 13 scheint weiter denn je. Des Rätsels Lösung steht in Coventry. In gut beschützter Obhut beim Jaguar Daimler Heritage Trust. Inventarnummer 062/J.22 – der legendäre Jaguar XJ13 von 1966. Von diesem Rennwagen, der gleichwohl niemals einen offiziellen Renneinsatz erlebte, gibt es weltweit nur ein originales Exemplar. Nach langjähriger Totalrestauration ist er nach 41 Jahren wieder fahr- und rennfertig. Classic Driver hat den XJ13 in Augenschein genommen.

Unsere Geschichte beginnt im Herzen von England. Die Midlands, Coventry. Am Rande der Stadt liegt Jaguar’s altes Fabrikgelände, die Browns Lane. Längst ist das Gelände verweist. Der Maschinenpark ist demontiert, verlagert auf das neuere Werksgelände in Castle-Bromwich. Als letztes Überbleibsel der wechselvollen Jaguar-Geschichte domiziliert auf dem Browns Lane Plant nur noch der Jaguar Daimler Heritage Trust, kurz JDHT. Nicht gut bezahlte Angestellte und Mechaniker, sondern vom Automobil begeisterte Freiwillige umsorgen hier pflichtbewusst und ehrenamtlich das Erbe von Sir William Lyons. Die JDHT Traditionssparte kümmert sich um einen beachtlichen Fahrzeugfundus neuer und historischer Automobile aus Coventry. Und eines dieser Fahrzeuge ist der Jaguar XJ13.

Ein potentes Experimentalfahrzeug, das ab 1967 Ruhm und Ehre zurück nach Britannien bringen sollte, knapp zehn Jahre nachdem die glorreichen Jaguar D-Types das Schlachtfeld der Automobilrennstrecken geräumt hatten. Ford GT 40 und Ferrari P3/4 hießen Mitte der sechziger Jahre die mächtigen Gegner und der XJ13 sollte sie mit der entfesselten Kraft aus zwölf Brennräumen bezwingen. Sollte, denn aus der großen Rennkarriere wurde, sagen wir es, wie es ist: nichts!

Gute Gene, scharfer Look, keine Rennen

Dabei hatte der XJ13 dank ungestümer Motorleistung eine hervorragende Veranlagung, zeigte sich auch heute im britischgrünen Livree als kompromissloses Rennfahrzeug. Unter der hinteren Plexiglasbadeckung pulsiert das kraftvolle Herz dieser auf Leistung getrimmten Großkatze: Ein überaus komplexer Aluminium Motor mit zwölf Zylindern und exakt 4.994 ccm Hubraum, vier oben liegenden Nockenwellen, je Zylinder zwei Ventilen für die Be- und Entlüftung der Brennräume, Lucas Einspritzanlage und Trockensumpfschmierung kennzeichnen dieses Antriebskonzept. Die Leistung liegt bei rund 450 PS, die sich jenseits der 7.000 Touren frei entfalten und auf ein Fahrzeuggewicht von rund einer Tonne treffen.

Der Jaguar Zwölfzylinder ist einer von nur sieben Versuchsaggregaten mit vier Nockenwellen. Und lediglich zwei Motoren wurden seinerzeit auf XJ13 Spezifikation mit gangabhängiger Nockenwellensteuerung ausgelegt. Das Getriebe mit einer manuellen Füngang-Schaltung stammt von ZF. Es ist in Transaxle-Bauweise an die Hinterachse angeflanscht. Das balanciert das Gewicht nochmals besser aus. Bei Testfahrten erreichte der Wagen für damalige Verhältnisse enorme Beschleunigungswerte und Endgeschwindigkeiten.

Der XJ13 entstand 1966 als Versuchsfahrzeug. Das Design stammt von Malcolm Sayer, der schon die Jaguar C-Types und D-Types einkleidete. Mit seiner flachen Silhouette und den langen Rundungen wirkt der XJ13 wie eine gelungene Kreuzung aus Lightweight Jaguar E-Type und CanAm-Rennfahrzeug. Ursprünglich war geplant, das Fahrzeug für Le Mans Rennen zu verwenden, doch Geldmangel und die Entwicklung des neuen XJ6 verhinderten dies. Außerdem änderte die FIA 1968 das Reglement für Prototypen, die ab sofort nur noch mit maximal drei Litern Hubraum auf die Strecke durften. Der XJ13 war damit am Ende angekommen. Und dies, bevor er überhaupt jemals offiziell starten konnten.

Tragisches Ende und Auferstehung

Doch damit nicht genug. Ein zutiefst tragischer Zwischenfall markiert die scharfe Zäsur in der Vita des XJ13. Die offizielle Version dieses Kapitels lautet so: Testfahrer und Jaguar Haudegen Norman Dewis fuhr bereits auf der MIRA Teststrecke 1966 mit einer Geschwindigkeit von 259 km/h Rundenrekord. 1971 wurde der Wagen dann noch einmal auf der Strecke für Filmaufnahmen eingesetzt. Wieder saß Dewis am Steuer. Bei Car-to-car Aufnahmen soll sich das rechte Hinterrad gelöst haben, worauf der Wagen sofort außer Kontrolle geriet und bei hoher Geschwindigkeit von der Piste abflog, sich drehte und mehrfach überschlug.

Fahrer Norman Dewis soll geistesgegenwärtig die Zündung im Moment des Crahs abgestellt haben, sodass der Wagen nicht Feuer fing. Gleich einem Wunder, stieg Dewis unverletzt aus dem Wrack des XJ13. Der Wagen selbst war in alle Einzelteile zerlegt. Bis heute kursiert ein – angeblich mit Bildern belegbares - Gerücht, welches besagt, dass nur noch die Räder an dem Gerippe des XJ13 gesteckt haben - seltsamerweise vier an der Zahl.

Was auch immer sich in diesen Momenten des Jahres 1971 ereignete, zwei Jahre später wurde der XJ13 in akribischer Detailarbeit aufwendig rekonstruiert und neu aufgebaut. Es gab und gibt kein Werkstatthandbuch für dieses Auto, was die Sache nicht gerade einfach machte. Der Wagen wurde auf Motorveranstaltungen gezeigt. Noch im selben Jahr brachte ein Gasstoß den sensiblen Motor auf Überdrehzahl, worauf dieser kollabierte. Der zweite noch verbleibende Motor wurde in das Heck gezwängt. Einer der Kolben war bereits geschweißt, was Maximalbelastung zur Verbotszone machte. Doch dessen bedurfte es gar nicht: Bei einer Fahrvorstellung im Jahr 2004 in Kopenhagen setzte die Ölwanne auf dem Asphalt auf. Der Stoß ließ den Aluminiumblock reißen, was den Wagen nun gänzlich stillegte.

Jetzt stand eine Totalrestauration an. Weitere zwei Jahre benötigten die Mechaniker des JDHT, um den Motor des XJ13 wieder fit zu machen. Hierbei wurden einige Teile mit Komponenten aus dem XK- und XJ-Regal getauscht. Möglichst viele Teile der originalen Mechanik, wie auch das Cockpit, wurden jedoch beibehalten. Das elegante Aluminiumkleid erhielt eine neue Mehrschichtlackierung und im Sommer letzten Jahres durfte der XJ13 wieder raus auf den Asphalt des MIRA-Kurses. Und seitdem läuft er. Mit ein wenig Glück können Sie ihn auf den wichtigsten Revival-Veranstaltungen des historischen Motorsports erleben. – Ein vorerst glückliches Ende in der Geschichte des Jaguar XJ13.

Die Fakten

Fahrzeugaufbau: Prototyp Rennwagen, konzipiert für Le Mans Einsätze
Baujahr: 1966 (Neuaufbau in 1973 und 2004 bis 2006)
Motor: 12-Zylinder-Aluminiummotor mit vier Nockenwellen, Trockensumpfschmierung
Hubraum: 4.994 ccm
Max. Leistung: 450 PS bei 7.600/min.
Getriebe: 5-Gang ZF Schaltgetriebe, Transaxle-Bauweise
Bremsanlage: Scheibenbremsen vorne und hinten
Leergewicht: ca. 1.100 Kilogramm
V-max: ca. 260 km/h
Gesamtstückzahl: 1