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Im letzten BMW 2002 tii von Hamburg nach Berlin

Normalerweise benötigt man für die Strecke von Hamburg nach Berlin mit dem Auto knapp drei Stunden. Man kann die Reise in die Hauptstadt allerdings auch auf 650 Kilometer strecken, ganze drei Tage für die Reise einplanen – und fertig ist die Herausforderung der 2. Hamburg-Berlin Klassik! Wir stellen uns dieser Aufgabe hinter dem Steuer eines BMW 2002 tii. Dieser 2002 tii ist jedoch nicht irgendein „Nullzwo“, sondern der letzte, der die BMW-Werkshallen verlassen hat. Und das erst 2006, im 40. Jubiläumsjahr dieser legendären Baureihe.

Die Vorgeschichte: Im Jahr 2005 entstand die Idee, auf Basis einer 02-Rohkarosse von 1973, die sich noch im Ersatzteilbestand von BMW Classic befand, aus Original-Ersatzteilen einen BMW 2002 tii vollständig aufzubauen. Nach eigenen Angaben verfügt die Klassik-Abteilung der Münchner über 90 Prozent aller Ersatzteile für diese Baureihe. Das Prinzip „aus neu mach alt“ wirkt schon ein wenig Paradox. Rechtzeitig zur Techno Classica 2006 konnte der „Last-of-Line-Nullzwo“ präsentiert werden.

Mit diesem besonderen Youngtimer durften wir die malerischen Landstraßen in Richtung Berlin unsicher zumachen. Wir nahmen Platz auf den schwarzen Kunstledersitzen und die Zeitreise in die aufregende Ära der 70er-Jahre begann. Die knall-orange Lackierung „Inka“, die seitlichen Ausstellfenster und die Fußmatten aus Kokoswolle versprühten den Charme dieser von Love, Peace und Harmony geprägten Epoche. Nach den ersten gefahrenden Metern hinter dem für heutige Verhältnisse riesig wirkenden Dreispeichen-Lenkrad, überkam einen ein Gefühl von Freude, als ob man 1973 beim örtlichen BMW-Händler seinen ersten eigenen „Nullzwo“ abgeholt hätte.

Im letzten BMW 2002 tii von Hamburg nach Berlin Im letzten BMW 2002 tii von Hamburg nach Berlin

Doch wir befinden uns weder im Jahr 1973, noch ist es – wie eingangs schon erwähnt – mein BMW 2002 tii. Dennoch: Für die nächsten zwei Tage gehörte der quirlige Zweitürer zu unserem Team und wir setzten alles daran, eine gute Platzierung zu erzielen. Nach einem Prolog durch den Hamburger Hafen – quasi ein erstes Kennenlernen mit dem sportlich-kompakten Youngtimer – starteten wir an einem Freitag im August in das Rallye-Abenteuer von Hamburg nach Berlin.

Das Roadbook führte uns auf nordöstlichem Kurs in Richtung Hauptstadt. Die vor uns liegende Streckenführung passt perfekt zu unserer „Nullzwo“-Sportversion. Ein kurzer Sprint über die Autobahn, gefolgt von geschwungenen Landstraßen. Auf der Autobahn ist der 2002 tii eine wirkliche Überraschung: Aus den 2,0 Litern Hubraum schöpft der Vierzylinder-Reihenmotor eine Leistung von 130 PS, die Dank des Solex-Doppelvergasers und der nur für den 2002 tii und 2002 turbo erhältlichen mechanischen Kugelfischer-Einspritzanlage erstaunlich agil per Gaspedaldruck abgerufen werden kann. Auch wenn die Rallye als „sportliche Wertungsfahrt auf Gleichmäßigkeit und Zuverlässigkeit“ deklariert war, konnte man aus Freude am Fahren auf der freigegebenen Autobahn nur schwer den Fuß vom Gaspedal lassen. Mühelos rennt der Sport-2002 in Richtung der 180 km/h Marke, wobei die auf dem schlichten, schwarz-weißen Tachometer angegebenen 220 km/h etwas überambitioniert erscheinen.

Mit gedrosselter Geschwindigkeit führte es uns auf traumhaften Alleen und schmalen kurvige Straßen durch das Mecklenburger Land und die Mark Brandenburg. Der BMW 2002 bot auch in diesem Revier absoluten Fahrspaß und das getrimmte Fahrwerk ermöglichte ein entspanntes Cruisen ebenso wie das Peitschen durch kurviges Terrain. Das Getriebe des 2002 tii wechselte butterweich durch die vier Gänge, allerdings ist die tiefliegende Position des Schaltknüppels etwas gewöhnungsbedürftig. Der rasante Ritt durch die kurvigen Landstriche zeigt, warum der BMW 2002 tii seiner Zeit ein kleines Stück voraus war.

Nun könnte man annehmen, dass sich der „Kleinbolide“ in den 70er Jahren ob seines hohen Leistungspotentials einen schlechten Ruf als Rowdy-Kutsche verdient. Weit gefehlt! Unser orangefarbener BMW ist ein absoluter Charmebolzen und wird auch als solcher von den Zuschauern am Straßenrand wahrgenommen. „Den hatte mein Vater auch mal!“, diese Aussage haben wir unzählige Male zu hören bekommen, so dass mein Co-Pilot beim nächsten Etappenziel für eine Umbenennung unseres Teams in „Den hatte mein Vater mal!“ bemühte – leider erfolglos. Der 2002 kommt an. Bei jedem Etappenstopp bekamen wir lustige und rührende Anekdoten rund um den 2002 zu hören. So berichtete während eines kurzen Stops in Templin ein Mann in den Fünfzigern, dass der BMW 2002 zu DDR-Zeiten sein absoluter Jugendtraum gewesen sei und er sich aus lauter Verzweiflung ein BMW-Logo auf die Haube seines Trabants malte. Es sind solche kleinen Begebenheiten, die einem immer wieder vor Augen führen, welche Emotionen etwas Blech mit vier Rädern auslösen kann.

Im letzten BMW 2002 tii von Hamburg nach Berlin Im letzten BMW 2002 tii von Hamburg nach Berlin

Selbst bei der Zieleinfahrt in das eventgesättigte und etwas unterkühlte Berlin rang unser kleiner Bayern-Charmeur den Menschen ein Lächeln ab. Schon nach den ersten Wertungsprüfungen auf der Strecke war uns klar, dass wir unseren Traum vom Sieg schnell begraben mussten. Doch eines ist mal klar: Der kleine, sympathische „Nullzwo“ sicherte sich den Titel „Sieger der Herzen!“.

Wer Ähnliches erleben möchte, sollte sich überlegen, ob der BMW 2002 tii oder turbo nicht der richtige Youngtimer für ihn ist. Eine Auswahl an „Nullzwo“-Modellen finden Sie selbstverständlich im Classic Driver-Automarkt.

Text J. Philip Rathgen
Fotos: Marcel Groos, Axel Klinger-Köhnlein, BMW


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