Am 9. Juni 2008 war über den Dächern Turins ein unbekanntes Flugobjekt zu beobachten. Wir klären auf: Lamborghini ließ seinen Reventón in die weltweit erste Metropole, die den Titel „World Design Capital“ für 2008 verliehen bekam, einfliegen. Der Überflieger landete direkt auf dem Dach des Lingotto, dem ehemaligen Turiner Fiat-Werk.
Turin, 9. Juni 2008, 12.00 Uhr – starker Regen. 15.00 Uhr – Kolloquium im Congresscenter Lingotto zum Thema „The Speed of Lamborghini: der Reventón – ein in Rekordzeit realisiertes Projekt“. 16 Uhr – trocken, kühl, bewölkt, Aperitivo im „la Pista“ auf dem Dach des Lingotto Gebäudes. 16.24 Uhr – unbekanntes Flugobjekt nähert sich von Nord-Osten. 16.30 Uhr – Landung auf dem L’Eliporto, dem Hubschrauberlandeplatz. „Closer to the Road“ war eben noch der Slogan im Kolloquium. Dieser zeigte augenzwinkernd, wie lang Palmen, tief Häuserschluchten, hoch Briefkästen und Drive-in-Schalter aus der Perspektive des Lamborghinifahrers sind, als wir auch schon Zeuge werden, dass das noch nicht extrem genug ist. Die rund 800 geladenen Gäste hatten die Ehre, den jüngsten Überflieger aus Sant’Agata, den Lamborghini Reventón, bei seiner wahren Profession, dem Fliegen, beobachten zu dürfen. Wir haben dies zum Anlass genommen, um „The World Design Capital“ etwas genauer zu betrachten.
Die Landeshauptstadt der Region Piemont wurde 2008 zur Design Metropole auserkoren und würdigt dies unter dem Titel „The World Design Capital 2008“ mit einem reichhaltigen Programm an Tagungen, Veranstaltungen, Ausstellungen und Festivitäten, die dem Thema Design gewidmet sind. Die Stadt hat eine bewegte Vergangenheit mit etlichen Herrschaftswechseln, zwei Weltausstellungen und den Olympischen Winterspielen, zuletzt 2006. Die Stadt ist geprägt von ihrer Geschichte, die sowohl von Revolutionären, Aristokraten, Intellektuellen, Politikern und vor allem von der Automobilindustrie geschrieben wurde. Allen voran ist hier das von der Agnelli Dynastie gegründete Fiat-Werk zu nennen, die „Fabbrica Italiana Automobili Torino“. Auf dem Dach des 1923 fertig gestellten, fünf geschossigen, rund einen halben Kilometer langen Fabrikgebäudes befindet sich eine Teststrecke, die für die fertigen Autos aus dem Werk über zwei Rampen am nördlichen und südlichen Ende zu befahren war.
Das Gebäude wurde Ende der 70er Jahre von Fiat langsam geräumt und nur durch eine Bürgerinitiative erhalten. In den 80er Jahren wurde ein Architektur Wettbewerb ausgeschrieben. Diesen gewann der weltbekannte Genueser Architekt Renzo Piano mit seinem Entwurf, das Gebäude in seiner Struktur als Industriedenkmal zu erhalten und in schlichter moderner Sprache zu einem Messe-, Congress- und Einkaufszentrum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die legendäre, ehemalige Teststrecke dient als Eventfläche oder einfach als Joggingpfad für die Hotelgäste des Meridien Lingotto Hotels. Die drei Innenhöfe des Gebäudes sind durch Verbindungstürme mit interner Erschließung zum Dach getrennt.
Auf dem obersten Geschoss des südlichsten Turmes sitzen heute der Helikopterlandeplatz und der futuristische Besprechungsraum „la Bolla“, der mit dem Congresscenter im UG via Lift verbunden ist. Im Kopf des mittleren Turmes befindet sich das Restaurant „La Pissta“. Wer hier reserviert und mit dem Auto kommt, erklimmt den Ort über die imposante Nordrampe und ein Stück der alten Teststrecke. Auf dem südlichen Turm befindet sich die Pinacoteca Agnelli.
Nun aber zurück auf das Dach des Lingotto, zurück zur legendären Teststrecke und den rund 3000 PS aus Sant’Agata, die hier mit qualmenden Reifen „Love Letters“ auf den Asphalt und die Kacheln der Steilkurve brannten. Und zurück zum Kolloquium, in dem Walter De Silva, verantwortlich für das Design im Volkswagen Konzern mit dem Slogan „Our Life is Design...“ den Gästen einen kurzen Rundflug durch das Thema Design als Einleitung zum Hauptthema, dem „Projekt Reventón“, erklärte. Dann stellten Stephan Winkelmann, der Präsident und CEO von Automobili Lamborghini, zusammen mit Walter De Silva und den Designern vom Centro Stile Lamborghini die kreativen Phasen vor, die zur Realisierung des Reventón in Rekordzeit von knapp einem Jahr führten.
17.34 Uhr – der Himmel wird schwarz, Blitze zucken aus den Wolken. Das nun bekannte Flugobjekt verlässt die Stadt in Richtung Nord-Osten. Ich stehe auf dem sagenumwobenen Asphalt der „Pista“, es ist kalt, regnet wieder – aber ich hatte gleich zwei der Lamborghini Überflieger Reventón vor der Linse. Schert mich Regen? Schert mich Kälte? Nein – das war ein guter Tag, soll es doch weiter regnen!
Text & Fotos: Nanette Schärf
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