Am Wochenende vom 10. und 11. Mai - und somit genau zwei Wochen vor dem großen Formel 1 Spektakel - fand in der elektrisierenden Atmosphäre von Monaco der sechste Grand Prix Historique statt.
Das Setting
Bevor wir auf den eigentlichen Event zu sprechen kommen, ein paar Fakten, um Monaco im richtigen Licht zu präsentieren. Es ist kaum zu bestreiten – Monaco ist eine Stadt der Extreme. Mit einer Grundfläche von 1,97 km2 ist es der der zweitkleinste Staat der Welt, nur noch gefolgt vom Vatikan – aber wer darf schon im Vatikan wohnen. Von den über 32.000 Einwohnern sind nur rund 16% Monegassen, 47% Franzosen und Italiener. Der Rest verteilt sich auf 125 Nationalitäten, die einen nicht unerheblichen Teil des Facettenreichtums ausmachen.
Der Grand Prix
Die Grand Prix sind ebenso unzertrennlich mit Monaco verbunden wie das Mittelmeer, der Jetset, die Yachten und, nicht zu vergessen, die fehlende Einkommenssteuer. Der erste Grand Prix wurde im Jahre 1929 auf dem bis heute beibehaltenen Stadtkurs Circuit de Moncao ausgetragen. Seit 1950 ist die 3,34 km lange Strecke Bestandteil der Formel 1. Seither hat Monaco sie alle gesehen, die Ikonen der Formel 1. Ob Moss, Fangio, Ascari, McLaren, Hill, Fittipaldi, Peterson, Hawthorn, Lauda oder Schuhmacher - alle haben Sie in Monaco gebangt, geschwitzt und im Adrenalin gebadet. Nelson Piquet über den Circuit de Monaco: „Formel 1 fahren in Monaco ist wie Hubschrauber fliegen im Wohnzimmer“.
Der Kurs
An 359 Tagen im Jahr ist die Strecke integraler Bestandteil des öffentlichen Straßenverkehrs. Doch wenn die Leitplanken aufgebaut werden, verwandelt sich die Strecke zur Motorsportbühne. Kompromisse gibt es nun nicht mehr – weder für Fahrer noch für die Fahrzeuge. Mit etwas zuviel Gas aus der Kurver herausbeschleunigt – Leitplanke, Gelbe Flagge und Raus! Der Kurs kennt keine Langeweile – dafür ist er zu klein, zu eng, die Kurvenradien zu scharf. Hier kommt es nicht auf die größte Endgeschwindigkeit an, die kann sowieso nicht ausgefahren werden. Hier geht es um fahrerische Finesse.
Direkt am Start beginnt der Kampf um die beste Kurveneinfahrt für Saint Devote, um im Anschluss mit durchgetretenem Gaspedal den Beau Rivage Anstieg zur Massenet hinaufzujagen. Kurz angebremst und weiter am Casino vorbei die kurze, abschüssige Gerade runter und an der Haftungsgrenze der Reifen durch Mirabeau Haute. Jede Sekunde zählt. Auf den wenigen Metern noch mal ans Maximum bevor es in die berüchtigte Loews Kurve geht – die langsamte Stelle aller Formel 1 Kurse. Bergab durch Portier, rein in den Tunnel – den starken Lichtwechsel überwunden ist nur die, zur Kurvenausfahrt stark enger werdende Kurve etwas gewöhnungsbedürftig. Jetzt den richtigen Bremsmoment vor der Nouvelle Chivane finden und die beiden erbarmungslosen 90° Kurven sind überwunden. Kurz Vollgas, dann hart links in die Tabac einsteuern – weiter am Hafen entlang, rechts die Zuschauertribünen links, das Hafenbecken, berstend mit seinen Luxusyachten. Am Louis Chiron Denkmal vorbei zur Piscine – die Kurve, die 1955 dem führenden Alberto Ascari in der 81. Runde zum Verhängnis wurde, so dass er ins Hafenbecken stürzte. Rascasse wartet schon mit erbarmungslosen 180° auf alle, die kurz vor der Start-Ziel-Gerade die Aufmerksamkeit verlässt. An der Einfahrt zur Boxengase vorbei auf die Start-Ziel-Gerade. Jetzt noch mal alle Reserven aus dem Fahrzeug kitzeln und erneut rein in die Saint Devote - für den Fall der Fälle findet sich direkt hinter der Absperrung die Kirche und Namensgeberin der Kurve!
Der Historic Grand Prix
Der Historic Grand Prix gehört sicherlich zu den ganz großen Events im Oldtimer Motorsport. Zum sechsten Mal hatte der Automobile Club de Monaco zum alle zwei Jahre stattfindenden Event geladen. Ohne Neid muss man zugestehen, dass es der ACM unter der Schirmherrschaft von Fürst Albert II. geschafft hat, die Rennsportatmosphäre vergangener Tage wiederzubeleben. Das liegt zum einen an der fantastischen Organisation, zum anderem an den großartigen Fahrzeugen aus über 30 Jahren Grand Prix Geschichte. Ob gold-schwarzer John Player Special Lotus 77, Nikki Laudas roter Ferrari 312T oder der Auto Union Typ C – sie alle sind einzigartig und haben Grand Prix Geschichte geschrieben. Zum Anderen sind es die Fahrer. Viele vermitteln den Eindruck, aus der gleichen Zeit wie die von ihnen pilotierten Fahrzeuge, zu stammen. Bein näherer Betrachtung finden sich auch einige der ganz großen Rennsportlegenden wie Jacky Ickx oder Sir Stirling Moss unter ihnen.
Die Geräuschkulisse darf in dieser Aufzählung natürlich nicht fehlen. Wobei zu differenzieren ist. Je nach persönlicher Motorsport Affinität kann man sie als Motoren-Arie oder auch als ohrenbetäubenden Lärm bezeichnen. Und selbst die Hartgesottenen zucken bei der puren Lautstärke zusammen. Dabei wirken die engen Straßen und Gassen Monacos wie Resonanzverstärker, die das Motorengeheul bis in die letzten Winkel der Stadt tragen. Es ist Samstagmorgen 7.30 Uhr – der Parcours ist seit einer Stunde für den öffentlichen Verkehr geschlossen – als die ersten Formel Junior Fahrzeuge Gas geben. Spätestens jetzt gehören die weise Vorahnung mitgebrachten Ohropax nur noch in die Kategorie „gut gemeint“. Später als die Formel 1 Fahrzeuge der Jahre 1966 bis 1978 ihren Auftritt haben, wird der Hörgenuss zur (meta-)physischen Erfahrung.
Insgesamt gab es sieben Startfelder, die am Vormittag und am Nachmittag ihre Trainingsrunden zu je 20 min absolvierten.
Serie F: Formel Junior
Serie A: Grand Prix Fahrzeuge vor 1947
Serie B: Grand Prix Fahrzeuge mit Frontmotor (1947 – 1960)
Serie E: Grand Prix Fahrzeuge mit Heckmotor (1954 – 1965)
Serie F: Formel 1 Wagen (1966 – 1974)
Serie G: Formel 1 Wagen (1975 – 1978)
Serie C: Sportfahrzeuge vor 1953
Zwischen den beiden Trainingsblöcken präsentierte Ferrari besondere Formel 1 Fahrzeughighlights von 1950 bis 2005. Das eigentliche Rennen wurde am Sonntag mit je 30 min pro Serie und 30 min zwischen den Läufen ausgetragen. Selten kann man von einem Event behaupten: „Wunschlos glücklich!“
Text: Alexander Kuhlmann
Fotos: Classiche Sportive
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