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Uhren öffnen Türen: Montreux Jazz Festival

Mit den absonderlichsten Unternehmungen versuchen sich Luxusmarken, im Gespräch zu halten – und das mit Erfolg. J. Philip Rathgen berichtet in seiner Kolumne „Uhren öffnen Türen“von Erlebnisräumen, die meist verschlossen sind. In dieser Woche: Parmigiani und das Montreux Jazz Festival.

Das Jazzfestival im schweizerischen Montreux ist eine feste Größe im Musik-Zirkus und zieht Jahr für Jahr mehr Besucher an das Ufer des Lac Léman. Auf dem Konzertplan standen auch in diesem Jahr große Namen wie Carlos Santana, Deep Purple, Sting oder B.B. King. Seit einigen Jahren unterstützt Parmigiani – jene Luxusuhrenmarke, deren Namen viele mit einer Hartkäsespezialität aus Italien verwechseln – das Festival und seinen Gründer, den spleenigen Musikliebhaber Claude Nobs.

Uhren öffnen Türen: Montreux Jazz Festival Uhren öffnen Türen: Montreux Jazz Festival

Im Rahmen des Eingangs erwähnten Engagements öffneten sich für mich nun für einen Tag die Türen des Montreux Jazz Festival. Ausgestattet mit vielen bunten Plastikschnipseln am Handgelenk und um den Hals, begab ich mich auf eine Safari hinter die Kulissen der Jazzfestival-Bühne. Mit einem Gefühl kindlicher Vorfreude malte ich mir in Gedanken aus, wie ich mit Quincy Jones und Carlos Santana bei einem Drink über den Verfall der Musikindustrie und das Aussterben der Tonträger philosophieren würde. Allerdings haben die Organisatoren des Festivals geahnt, dass man Medienvertreter lieber doch nicht unbeaufsichtigt in das musikalische Nervenzentrum hervorlassen dürfe und uns eine sympathische junge Anstandsdame mit noch mehr bunten Schnipseln und Bändchen zur Seite gestellt.

Der bevormundete Backstage-Trip begann vielversprechend im Instrumenten-Lager. In einem Raum tief unter der Bühne des Stravinski Auditoriums lagern in rollbaren Boxen alle Musikinstrumente, die die Künstler nicht selbst mitbringen. Jede Vorbestellung muss exakt so durchgeführt werden, wie es vom jeweiligen Tourmanager geordert wurde. Wenn einer der Stars auf einen Konzertflügel von Steinway & Sons besteht, bekommt er diesen auf die Bühne gestellt. Meine interessierte Nachfrage, wer von den Musikern in diesem Jahr wohl die extravagantesten Wünsche hatte, wurde freundlich lächelnd totgeschwiegen. Nach einigen weiteren Stationen hinter der Bühne wusste ich zwar, wie viel Liter Bier pro Tag verbraucht werden und war ebenfalls bestens darüber informiert, dass jedes Konzert direkt in HD aufgezeichnet und später zur DVDs verarbeitet wird. Aber von Quincy war weit und breit nichts zu sehen. Bei den großen Müllpressen endete dann die Backstage-Tour vorzeitig, da die Konzerte begannen.

Auf dem Programm stand ein Konzert der Gitarrenlegende George Benson. Der 68-jährige Musiker und Vater des Fusion hat es immer noch drauf, so dass die etwas ernüchternde Backstage-Tour sofort vergessen ist. Begleitet von Teilen des Symphonieorchesters aus Lausanne und seiner achtköpfigen Jazz-Crew bringt der große Mann aus Pittsburgh, das Publikum schon nach den ersten Hits wie „Breezin‘“ und „In Your Eyes“ in Ekstase. Bei „On Broadway“ verwandelte sich das durch architektonische Nüchternheit glänzende Auditorium in ein schweizerisches Radio City Theatre. Nach drei freundlichen Zugaben entschwand der Senior beschwingt von der Bühne.

Nach diesem überwältigenden Erlebnis, bin ich im Nachhinein sehr froh, dass ich nicht mit den Stars des Festivals auf Tuchfühlung gehen konnte, denn so wird die Magie des Augenblicks bei einem Auftritts nicht durch das tatsächliche Wesen des Künstlers zerstört. Ein deutscher Sänger hat mal sinngemäß in diesem Zusammenhang etwas völlig richtiges gesagt: „Glaub der Kunst und nicht dem Künstler“.

 

Fotos: Montreux Jazz Festival 2011

Weitere Informationen unter www.montreuxjazz.com.