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Wir erstürmen mit einem Porsche 996 911 GT3 RS den Chapman's Peak in Kapstadt

Manchmal macht es mehr Spaß hinter einem Auto herzujagen, als es selbst zu fahren. So war es auch bei unserer Verfolgungsjagd mit einem makellosen Porsche 911 GT3 RS zum Gipfel des Chapman's Peak, getaucht in das Licht der goldenen Stunde in Südafrika.

Als ich an diesem Morgen die Augen aufmache, weiss ich, dass es ein herrlicher Tag werden wird. Als ehemaliger Besitzer eines Porsche 911 Carrera 2 von 1998 habe ich schließlich eine besondere Schwäche für diesen am wenigsten geliebten Elfer von Porsche. Doch das Auto mit dem wir heute eine Ausfahrt geplant haben, ist kein gewöhnlicher 996. Weil nur 682 Exemplare das Band in Zuffenhausen verlassen haben, zählt der Porsche 911 GT3 RS der Baureihe 996 tatsächlich zur Riege der besonders seltenen Porsche. Als rechtsgelenktes Exemplar für Südafrika ist dieser spezielle GT3 RS einer von nur 30 Stück. Wenn etwas an diesem Morgen meine freudige Erwartung dämpfen kann, ist es höchstens der Umstand, dass ich mich bis fünf Uhr nachmittags gedulden muss – vorher brennt die Sonne an der Südspitze Afrikas einfach zu gnadenlos auf Kapstadt herab.

Nach einer gefühlten Ewigkeit steuern wir endlich einen kleinen Parkplatz an der Küstenstraße in Bakhoven an: Da steht er im immer noch gleißenden Sonnenschein, ein grandioser GT3 RS in Weiß und Guards Red. Schlagartig wird mir klar, dass die größte Herausforderung bei diesem Fotoshooting nicht die sengende Sonne sein wird, sondern meine Kamera still zu halten, weil meine Hände vor freudiger Aufregung zittern. Die Fahrertür öffnet sich und heraus steigt Aaron, den Bewahrer dieses GT3 RS und ein echter Pfundskerl. Auf meine Bitte führt er mich nur zu gerne um diesen ersten GT3 RS von Porsche – im Übrigen auch der erste und einzige wassergekühlte RS mit schmaler Karosserie. 

„Ich habe das Auto 2014 von einem Enthusiasten in Pretoria gekauft, der eine ziemlich umfangreiche Porsche-Sammlung besaß“, erinnert sich Aaron. „Ich schätze obskure Dinge – und mit diesen Scheinwerfern war er das „hässliche Entlein“ unter den RS-Modellen. Mir gefiel, dass dieser Porsche nicht den konventionellen Geschmack traf.“ Ein Blick ins Cockpit verrät, wie sehr die Cobra-Schalensitze die vergleichsweise karge Kabine dominieren, wie auch der hintere Käfig, der Gästen auf der Rückbank buchstäblich einen Riegel vorschiebt. Das Auto befindet sich in makellosem Zustand; keine Stelle im Lack, die durch Steinchen abgesplittert wäre. Dieser Porsche ist ohne Frage Aarons Baby.

Wenn man vor dem Heck steht, ist es nahezu unmöglich, diesen riesigen Heckflügel mit sichtbarem Karbon nicht fasziniert anzustarren. Es ist eine Größenordnung, die mit ihrer schieren Grundfläche locker dem Tafelberg Konkurrenz machen könnte. Und dann führt Aaron den beliebten Party Trick eines jeden Petrol Head aus und drückt die Plexiglasscheibe des Hecks mit seinem Finger ein wenig ein. Hier handelt es sich um eines der vielen Upgrades gegenüber dem „serienmäßigen“ 996 GT3, um nochmals Gewicht einzusparen. Die Fronthaube wiederum ist ein beeindruckender Mix aus Karbon und Kevlar, sogar das Emblem wurde gemäß der RS-Tradition durch einen Sticker ersetzt. Auf die Frage, wie sich dieser straßentaugliche Rennsportler fährt, antwortet Aaron: „Nichts ist abgedämpft, es gibt keine Traktionskontrolle, keine Stabilitätskontrolle. Es ist ein absolut analoges Fahrerlebnis, was mir sehr entgegenkommt. Ich besitze auch einen 3.2 Carrera Wide Body Cabrio und einen 911 mit Outlaw-Umbau von 1971. Aber verglichen mit ihnen, bietet mir dieses Auto ein viel aggressiveres und leistungsfähigeres Verhalten.“ Was mir am meisten ins Auge sticht, ist es, wie puristisch und klar die RS der Baureihe 996 im Vergleich zur aktuellen 992 GT3-Serie wirken. Man mag sich kaum ausmalen, wie dramatisch erst der neue RS aussehen wird.

Weil ich bereits spüren kann, wie die Hitze mich allmählich in einen Hummer verwandelt, schlage ich vor, dass wir losbrausen. Von Bakoven führt uns die M6 vorbei an Llandudno Beach und entlang der Hout-Bucht bis zur Mautstation am Fuß von Chapman's Peak. „Chappies“, wie man diesen Pass liebevoll nennt, ist das südafrikanische Pendant zum italienischen Stilfserjoch. Es ist schlicht eine der spektakulärsten Straßen, welche der afrikanische Kontinent zu bieten hat. Deswegen taucht diese Kulisse auch so oft in der Autowerbung auf. Chappies ist mit neun Kilometern Länge auch vergleichsweise kurz, dennoch wurden 114 Kurven hinein geschnitten, die entlang der Felshänge des 593 Meter hohen Gipfels tanzen.

Alle paar Kilometer pausierend, wird einem beim Anblick dieses atemberaubenden Sportwagens vor diesem Panorama wohlig schwindlig. Aber obwohl ich vor Glück hyperventiliere, muss ich feststellen, dass unser relativ langweiliger VW Golf 7 als Begleitfahrzeug auf den Geraden nicht wirklich im Staub stehengelassen wird. Ein Indiz, wie schnell Autos in den 20 Jahren seit der Enthüllung dieses RS geworden sind – und wieviel größer. Während mein Golf sich durch den schmalen Weg des Chapman's Peak Drive quälen muss, ist Aarons RS in seinem Element und sprintet agil auf den Berg und auf der Passhöhe wieder talwärts. Säße er statt im 996 im neuen, zwei Meter breiten 992 GT3, wäre auch sein Gipfelsturm wohl weitaus verhaltener ausgefallen. Bei einer unserer Pausen stellt Aaron fest: „Der RS mag auf der Geraden nicht zu den allerschnellsten Sportwagen zählen, aber was Kurvengeschwindigkeit betrifft, ist er eine Rakete, die komplett auf der Fahrbahn klebt.“

Auf der Südseite der Chappies hat die Sonne jetzt ihren Sinkflug gestartet und die Wucht des Feuerballs am Himmel ist merklich schwächer – das ist der Auftakt zur sogenannten Goldenen Stunde. Während wir in den Ort Sunnydale hineinrollen, sieht der GT3 RS inmitten des normalen, etwas verbeulten südafrikanischen Verkehrs aus wie ein veritables Supercar. Für die Bewohner des Kaps sind Exoten kein ungewöhnlicher Anblick, aber etwas an diesem 996 GT3 RS lässt das innere Kind in den Passanten erwachen. Viele Menschen begrüßen uns mit fröhlichem Hupen und Johlen und recken die Daumen nach oben. Ich bin sicher, dass mir diese Welle der Begeisterung in einem Urus nicht entgegen geschwappt wäre.

Wir biegen von der M6 rechts auf die M65 ab und fahren vorbei an der Kommetjie Beach und halten führ ein paar Fotos mit dem Slangkop-Leuchtturm als Hintergrundmotiv. Im Vergleich zur früheren Angriffslust hat das Sonnenlicht nun ein goldene, bernsteinfarbene Qualität angenommen und verhilft dem Carrera White-Lack des GT3 RS zu einem noch intensiveren Schimmer vor der südafrikanischen Küstenlinie.

Dieser Anblick betört zwar die Sinne, aber Südafrikas Straßen haben die Neigung, einem auf ganz andere Art den Atem zu rauben. Also frage ich Aaron, wie er mit etwas, das letztlich ein Rennwagen mit amtlichen Kennzeichen ist, hier zurechtkommt.  „Definitiv ist es ein bisschen hart“, lacht er. „Es gibt einige Straßen, wo man schon durchgerüttelt wird. Aber das Auto hat eine straffe Federung und wenig Polsterung in den Sitzen, trotzdem fahre ich es nur ein- oder zweimal im Monat für eine schnelle, wilde Runde.“

Fast am Ende unseres Ausflugs angekommen, verlassen wir die M65 auf der Lighthouse Road und fahren nochmal Richtung Küstenlinie. Das Licht und die Szenerie nähern sich für diesen vorletzten Fotostopp der Perfektion des Moments. Wir befinden an diesem Tag so kurz vor Weihnachten, dass sich dieses Panorama zusammen mit diesem Auto wie das ultimative Geschenk anfühlt. Als wir uns dem Ufer nähern, verschmilzt die Grenze zwischen Strand und Straße und der weiße Sand ähnelt fast exakt dem Farbton des RS.

Wir erreichen schließlich unser Ziel – den Parkplatz am Witsands Beach, gerade rechtzeitig um zu erleben, wie die Sonne den Horizont küsst. Wir sind allein, bis auf eine Gruppe von feuchtfröhlichen Einheimischen, die anscheinend meinen Enthusiasmus für Aarons GT3 RS teilen. Noch ein letzter Satz Fotos und dann ist es Zeit, sich von Aaron zu verabschieden und von – das habe ich heute erkannt – meinem Lieblings-Porsche. Zum Glück wird das nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Classic Driver eine Fahrt mit Aaron unternimmt. Was war das für eine fantastische Art, einen Nachmittag zu verbringen!

Fotos: Mikey Snelgar © 2022