Direkt zum Inhalt

Magazin

Rétromobile 2014: Perlentauchen in Paris

Wohin bewegt sich der Klassikermarkt? Welche Autos werden 2014 besonders hoch gehandelt? Und sind die „echten Perlen“ tatächlich noch zu haben? Wir haben auf der Retromobile 2014 in Paris nach Antworten gesucht.

Wirklich außergewöhnliche Autos sind mittlerweile schwerer zu finden als Peacock-Perlen im Meer von Tahiti.

Nicht eine, nicht zwei, nicht drei, – nein, gleich vier Auktionen stehen in diesem Jahr für die große Pariser Klassikermesse, die Rétromobile, im Kalender. Neben Bonhams im Grand Palais und gleich zwei Auktionen von Artcurial in den Messehallen lädt in diesem Jahr auch RM Auctions zur Versteigerung. Und die großen Namen scheinen internationales Publikum in die Stadt zu locken – kaum ein gehobenes Bistro der Rive Gauche, wo abends keine gut gekleideten Briten und Amerikaner über Steak Frites und Auktionskatalogen die nächste Anschaffung erörtern. Und die Händler? Nachdem Tom Hartley vergangene Woche in England einen Ferrari 250 Testa Rossa für geschätzte 40 Millionen US-Dollar veräußerte, erwartet man in Paris eigentlich Goldgräberstimmung. Doch wirklich außergewöhnliche Autos sind mittlerweile schwerer zu finden als Peacock-Perlen im Meer von Tahiti – und wer derzeit einen Multi-Millionen-Klassiker besitzt, wartet ab und sieht der Wertkurve beim Klettern zu. Zumal es für den Erlös momentan sowieso keine Zinsen gäbe.

Große Klassiker für Le Mans

Bitte nicht falsch verstehen: Natürlich gibt es in Paris auch in diesem Jahr fantastische Klassiker zu sehen. Bei JD Classics, nach langjähriger Pause überhaupt einmal wieder auf einer Messe vertreten, stehen neben den obligatorischen Jaguar-Pretiosen auch große Klassiker anderer Marken, darunter der Mille-Miglia-300SL von Stirling Moss. Nebenan bei Fiskens haben Historic Racers die Qual der Wahl zwischen einem Williams-F1-Renner, einem Lister Jaguar Costin, einem Chevron B8 im Tartan-Look und einem Ferrari 275 GTB/2 Long Nose, mit dem man auch bei der diesjährigen Le Mans Classic antreten könnte. Beeeindruckend auch das Aufgebot von Lukas Hüni – der Züricher High-Profile-Händler hat nicht nur einen kompletten Lancia-Stand mit den spannendsten Modellen von Aurelia bis Stratos zusammengestellt, sondern auch eine eigene Hall-of-Fame der Sportwagen-Ikonen nach Paris gebracht: Ob man nach Le Mans lieber den Aston Martin DBR1 oder den Ferrari 250 LM mitnähme? Die Frage stellt sich glücklicherweise nicht.

Zwischen Rennstrecke und Boulevard

Großer Rennsport auch am Stand der italienischen Tradex SRL – vor allem der weinrote Ferrari-Renntransporter samt ultra-seltenem 330 P4 und ein Ferrari 250 GT SWB Aluminium Berlinetta Competizione im französischen Rennsport-Livrée haben es uns angetan. Einige Schritte weiter bei Jan B. Lühn kann man ein BMW M1 Procar, einen Porsche 904 und einen Ferrari Daytona Spider in stiller Eintracht bewundern, während Movendi uns die zeitlose Eleganz des BMW 507 in Erinnerung ruft und mit einem O.S.C.A. MT4 den Mythos der Carrera Panamericana nach Paris holt.

Die Flügeltürer und Dinos kommen

Doch es gibt bei aller Vielfalt auch Gemeinsamkeiten: Geht man von der Präsenz in Paris aus, dürften in diesem Jahr vor allem der Mercedes-Benz 300SL und der Ferrari 246 Dino an Wert gewinnen. Flügeltürer-Spezialisten wie Classic Sport Leicht, Kienle und HK Engineering haben wieder einige besondere Exemplare des 300SL aufgetan – letzterer Händler präsentiert sogar das Pariser Showcar von 1954 sowie ein herrlich unrestauriertes Exemplar von 1955 mit blätterndem Lack und kaum 25.000 Meilen auf dem Tacho, das so manchen Gullwing in „Mint Condition“ beim Preis deutlich überholen dürfte.

Der Weg ist das Ziel

Thiesen aus Hamburg hat ein Ferrari 246 Dino Coupé mit dem vieldeutigen kalifornischen Kennzeichen „HIP VIP“ dabei, FA Automobile sind mit einem Coupé sowie einem Spider angerückt. Doch nicht nur perfekt restaurierte Exemplare sind zu bestaunen – Red Parts etwa zeigt einen Dino im halbfertigen Zustand, frei nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. Und bei der Carrozzeria Touring ist ein Bristol 401 mit Mailänder Styling zu sehen, dessen Alu-Karosserie in mühevoller Handarbeit nachgebaut wurde. Selbst die Porsche-Lust scheint seit dem Jubiläumsjahr nicht vollends vergangen zu sein – bei Serge Heitz aus dem westfranzösischen Cap Ferret finden sich die großen Zuffenhausener Ikonen von 356 bis 911 RS.

Auf der großen Bühne

Bei Porsche selbst steht der Pariser Messeauftritt ganz im Zeichen der Rückkehr nach Le Mans, während Bentley das Le-Mans-Siegerauto von 1924 zurück ins Gedächtnis ruft und Mercedes-Benz Classic mithilfe von David Coulthard, Jochen Mass, Hans Herrmann sowie einigen Silberpfeilen die eigene Rennsport-Geschichte hochleben lässt. Natürlich zeigen sich auch die französischen Marke von ihrer besten Seite: Bugatti ist mit der ersten Designstudie des Veyron von 1999 vertreten, Citroën zeigt seltene SM-Varianten sowie den Stromlinienprototyp C10 von 1956, Peugeot  holt den 403 zurück auf die Bühne und Renault feiert 50 Jahre R8 Gordini. 

Dann sind da natürlich noch die Sonderschauen zu Ehren von Jean Rédélé mit 15 Alpine Renn- und Straßensportlern und einer Ausstellung mit berühmten Automobilen der Maharajas von Isotta Fraschini bis Rolls-Royce – inklusive Kühlerfiguren-Ballett mit echtem Elefanten.

Unwiderstehliche Collectibles

Hochpreisig geht es mittlerweile übrigens nicht nur bei den Autos zu, sondern auch im großen Feld der „Collectibles“: Eine original Bugatti-Werkbank samt Schraubstock und Reifenschrank wurde für einige Zehntausend Euro verkauft und für die winzigen, aber unglaublich kunstvollen Miniatur-Modelle von Alain Bouissou muss man schon einmal 5.000 Euro auf den Tisch legen. Ein Preis, der bei rund 450 Arbeitsstunden allerdings mehr als gerechtfertigt erscheint. Auch bei Händlern wie Estampe Moderne et Sportive hätte man den Gegenwert eines Flügeltürers in Vintage-Poster und Flugzeugmodelle investieren können. Mit anderen Worten: Die angenehme Verschlankung der eigenen Brieftasche wurde einem auch in diesem Rétromobile-Jahr wieder so einfach wie möglich gemacht.

Fotos: Jan Baedeker