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BMW 6er Cabrio: Der Sommer kann kommen

Während Deutschland sich durch den Restwinter fröstelt, gibt BMW in Südafrika einen Vorgeschmack auf den Höhepunkt der kommenden Spring/Summer-Season. Welche Neuheiten unter dem frischen Design des neuen BMW 6er Cabrios stecken, haben wir in Kapstadt ergründet.

 

Als BMW vor zwei Wochen in Detroit die Hülle des neuen Cabrio-Flaggschiffs fallen ließ, waren die Reaktionen verhalten: Sicherlich, das neue Design passt zum aktuellen Markenlook, der die stilistischen Experimente der Bangle-Ära durch klare Linien und souveräne Eleganz vergessen macht. Auch auf dem Datenblatt lieferte das Cabrio, mit dem die neueste 6er-Baureihe startet, die von uns Pressevertretern stoisch verlangten Indizien der Weiterentwicklung: Mehr Leistung, weniger Verbrauch und zahlreiche neue, zunächst noch ominöse High-Tech-Helferlein. Was den meisten Betrachtern jedoch fehlte, war die nötige Phantasie: Durch die Straßen von Detroit fegte der Eissturm, auch halb Europa lag unter Permafrost begraben. Autofahren war, ähnlich wie Fliegen und Bahnfahren, mehr notwendiges Übel als reizvolle Verlockung. Und der Gedanke an milde Sonnenstrahlen auf weichen Ledersitzen so befremdlich wie Weihnachtslieder im Hochsommer. Autojournalisten sind schließlich keine findigen Romanciers, sondern bodenständige Texthandwerker mit Hang zum Zahlendrehen und Faktensammeln.

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BMW hatte freilich auch für diese Problemstellung eine Lösung parat – und lud die branchenrelevante Weltpresse kurzerhand ins ferne Südafrika, wo die Uhren bekanntlich falschrum gehen und im Winter Sommer herrscht. Bei gepflegten 27 bis 30 Grad Celsius, unter strahlend blauem Himmel und vor der Märchenbuchkulisse der Kapregion dürfte schließlich auch der kleinkrämerischste Ölbüffel unter den Motorschriftführern verstehen, worum es beim neuen BMW 6er Cabrio geht: Genuss. Denn während in anderen Segmenten tatsächliche Innovationen verlangt werden (BMW enthüllt im Frühjahr etwa das neue, sparsame Megacity Vehicle), kann man in der automobilen Luxusklasse weiterhin dem Überfluss frönen. Überraschungen sind hier keine gefragt, das Klientel ist schließlich wertkonservativ – und legt gerne alle paar Jahre für das vom Prinzip her gleiche Auto einen neuen Scheck auf den Tisch. Hauptmarkt für das große Cabrio sind weiterhin die USA, in China interessiert man sich wohl mehr für das im Herbst kommende Coupé und den für 2012 geplanten Viertürer. Warum man in einem Hunderttausend-Euro-Auto das Dach herunterlassen und somit die schnöde Außenwelt hereinbitten sollte, will man in Peking und Shanghai nicht so recht begreifen. An der Küste Südafrikas liegen die Vorzüge dagegen auf der Hand – auch wenn die winterblassen Journalisten auf den Straßen um Kapstadt die Einzigen sind, die unter brennender afrikanischer Mittagssonne auf die Idee kommen, verdeckseitig blank zu ziehen.

Angesichts des Chapman’s Peak Drive, der weithin als schönste Küstenstraße der Welt gilt und im Vergleich selbst die Cote d’Azur auf Bodensee-Niveau deklassiert, ist es nicht leicht, sich auf den professionellen Hintergrund der Reise zu besinnen. Andererseits ist der 2+2-Sitzer hier genau richtig, schließlich haben sich die Designer vom Bootsbau inspirieren lassen. Mit seiner langen Haube, dem langen Radstand und dem sportlich-muskulösen Look der neuen Designlinie erreicht das große Cabrio eine maritime Eleganz, die laut Pressetexten sowohl luxuriöses als auch dynamisches Fahrerlebnis ausdrücken soll. Die ästhetischen Spleenigkeiten des Vorgängers – man erinnert sich an Tränensack-Scheinwerfer und den leidenschaftlich geschmähten „Bangle Butt“ – wurden derweil mit Seitenblick auf 7er und 5er durch stimmigere Module ersetzt. Besonders gelungen scheinen die neuen LED-Rückleuchten in L-Form – ein Blick aus dem Autofenster zeigt, dass hier für Designer traditionell die meisten Verfehlungen lauern. Romantikern wird derweil die „Shark Nose“ gefallen, schließlich erinnert die zugespitzte Front an die Sechser-Ikonen der Siebzigerjahre. Die tierische Originalvorlage, im Ozean ums Kap ja zahlreich vertreten, lässt sich leider nicht zum vergleichenden Fototermin bitten.

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Weil bei einem Cabrio schließlich auch der Innenraum eine Außenwirkung hat, wurde hier beherzt restauriert. Besonderer Hingucker ist das halb freistehende „Control Display“, das dem Interieur eine neue Leichtigkeit verleiht – schließlich, so erklärt Interieur-Designchef Marc Girard, wird auf diese Weise das Subboard optisch gedrückt. Wer aktuelle BMW-Modelle kennt, dürfte mit den Funktionen des Bediensystems iDrive sowie den optionalen Assistenzsystemen (Spurwechselwarnung, Spurverlassenswarnung und der in Südafrika als Überfall-Prophylaxe genutzte Nachtsicht-Assistent) vertraut sein. Optimiert wurden das Head-Up-Display, das die relevanten Informationen wie etwa Verkehrsschilder nun vielfarbig auf die Frontscheibe projiziert, und die Anbindung von iPhone und Co. im Rahmen von BMW Connected Drive. Neu sind auch die Leichtbausitze, die sich dank speziellem Leder in der Sonne nicht aufheizen – eine nur im Nebensatz kommunizierte, für Cabriofahrer aber essentielle Neuerung. Wer im neuen BMW 6er Cabrio zu viert Reisen will, sollte eine Maximalgröße von etwa 1,70 Metern nicht überschreiten (Einsachtzig vorn, Einssechzig hinten geht auch) – andernfalls wird es eng. Dafür ist im Kofferraum genung Platz für allerlei Lifestyle-Zubehör – in 300 Litern Ladevolumen kann man laut BMW auch bei geöffnetem Verdeck das übliche Golfbag transportieren.

A propos Verdeck: Gottlob halten die Münchener in der Luxusklasse auch weiterhin an der Stoffmütze fest. Das Leergewicht von rund zwei Tonnen hätte die Extra-Pfunde eines Hardtops auch nur schwer verkraftet. Das sogenannte Finnen-Verdeck öffnet sich in 19 Sekunden, das Schließen dauert 24 Sekunden. Beides ist bis 40 km/h möglich – bei sportlicher Betätigung des Gaspedals also eher selten. Zur Markteinführung Ende März steht das neue BMW 6er Cabrio zunächst mit zwei Motoren zur Auswahl: Einstiegsmodell ist der 640i mit 320 PS starkem Reihensechszylinder, in Südafrika testen wir das 4,4 Liter große, 407 PS starke Achtzylinder-Turbo-Topmodell. In fünf Sekunden von 0 auf 100 und weiter bis 250 km/h verspricht die Tabelle, der Durchschnittsverbrauch liegt bei 10,7 Litern Benzin. Beeindruckender ist jedoch die charakterliche Bandbreite, mit der das neue Cabrio die Kraft auf die Straße zu bringen vermag. Zwischen „Comfort“- und „Sport +“-Modus liegen fahrdynamische Welten, die wir auf den vielseitigen Straßen in den Winelands östlich von Kapstadt artig durchspielen. Einwandfrei auch die Achtgang-Sport-Automatik, deren sanfte und blitzschnelle Schaltvorgänge ein durchschnittlich begabter Motorjournalist kaum noch wahrnehmen kann.

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Wie groß der 4,89 Meter lange Sommergleiter dimensioniert ist, merkt man dem Fahrwerk jedenfalls nicht an. Die Kombination aus Doppelquerlenker-Vorderachse, Integral-Hinterachse und dem optionalen Programm „Adaptive Drive“, bei dem sich die Dämpfer automatisch der Fahrweise und dem Straßenzustand anpassen, sorgen für einen sportlichen aber ruckfreien Vortrieb. Hinzu kommt eine um 50 Prozent verbesserte Karosseriesteifigkeit, von der andere Großcabriolets nur träumen können. Seekrank wird man hier selbst auf den haarigsten Serpentinenstraßen nicht. Wer noch die Integral-Aktivlenkung bestellt, bei der die Hinterachse mitlenken kann, ist sogar noch ein bisschen agiler unterwegs.

Falls BMW nicht auch die potenzielle Kundschaft des neuen 6ers zur Testfahrt auf die Südhalbkugel fliegt, wird sich das sonnenhungrige Klientel jedoch noch einige Wochen gedulden müssen. Die Wartezeit kann man sich aber wunderbar mit der Lektüre der Optionslisten von BMW Individual vertreiben – schließlich hat die Personalisierungs-Unit schon jetzt weitreichende Ideen, was man mit dem großen Cabrio alles anstellen kann. Und bis entschieden ist, ob der eigene Sechser nun Citrinschwarz, Tansanitblau oder Mondstein Metallic lackiert werden soll, dürfte zwischen Flensburg und Lindau auch der letzte klägliche Schneerest vom Straßenrand verschwunden sein.

Text: Jan Baedeker
Fotos: BMW

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